Regionale Lebensmittelversorgung Diakonie will Großküchen erobern

Jürgen Henkel
Präsentierten das neue Projekt „Regionale Lebensmittelversorgung Fichtelgebirge“ im Evangelischen Bildungswerk Bad Alexandersbad (von links): Dekan Peter Bauer, Lisa Hertel von der Öko-Modellregion Fichtelgebirge, Projektleiterin Sabine Reichel-Fröhlich, Moderatorin Astrid Köppel und Geschäftsführer Thomas Lippert vom Bayerischen Bauernverband Wunsiedel. Foto: Jürgen Henkel (14)/Jürgen Henkel

Die evangelische Kirche will einen Vertrieb regionaler Lebensmittel im Fichtelgebirge organisieren. Das Projekt trifft auf Zustimmung und Fragen.

 
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Seit Corona und nun auch seit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine ticken die Uhren auf der Welt und auch in Deutschland anders. Die weltweite Krise ruft auch hierzulande Ängste hervor, fördert aber auch neue Ideen zutage. Die Diakonie Wunsiedel hat nun ein Projekt entwickelt und will auf Initiative des Vorsitzenden, Dekan Peter Bauer, sowie weiterer Mitstreiter eine „Regionale Lebensmittelversorgung Fichtelgebirge“ ins Leben rufen. Am Dienstag wurde das Projekt im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum (EBZ) Bad Alexandersbad erstmals öffentlich vorgestellt. Das Interesse war groß, ebenso wie der Diskussionsbedarf.

Regionale Lieferketten aufbauen und sichern

Die Mehrzweckhalle war voll: Landwirte, Direktvermarkter, Metzger und Köche aus der Region, regionale Produzenten und „Weiterverarbeiter“, Händler und auch Chefs von Großküchen sowie Großhändler waren gekommen, um sich aus erster Hand über die Pläne zu informieren. Projektleiterin Sabine Reichel-Fröhlich, die seit März bei der Diakonie für dieses Projekt angestellt ist, erläuterte die Eckpunkte des Vorhabens: „Wir wollen hier eine regionale Lebensmittelversorgung etablieren und die Betroffenen dabei mitnehmen. Laut Umfragen wünschen und kaufen über 38 Millionen Bundesbürger regionale Produkte. Immer mehr Menschen setzen auf regionale und Bioprodukte.“

Reichel-Fröhlich stellte die Geschäftsidee der Initiative sowie die geplante praktische Umsetzung vor und hielt fest: „Wir wollen regionale Lieferketten aufbauen und sichern. Dabei liegen die Vorteile regionaler und biologischer Produkte klar auf der Hand: Die Herkunft der Produkte ist klar, die Belebung regionaler Märkte stärkt die Wirtschaft, kurze Lieferwege sorgen für eine positive Klimabilanz.“ Nach einem Beschluss der bayerischen Staatsregierung sollen bis 2030 alle öffentlichen Kantinen in Bayern fünfzig Prozent ihrer Speisen aus regionalen Produkten zubereiten.

Zuverlässige Lieferungen

Nach ihren Worten soll das Projekt zunächst Lieferketten im Fichtelgebirge und in der Genussregion Oberfranken aufbauen und den Anteil an Regional- und Bioprodukten in Kantinen vorantreiben. „Damit bieten wir zukünftig einen Überblick an regionalen Produzenten und Nachfragern, bündeln Bestellungen, organisieren eine effiziente Lagerung und gewährleisten zuverlässige Lieferungen.“ Dekan Bauer sieht dies ähnlich: „Das erste Standbein sollen die Großverpflegungen sein. Dann soll sich das Projekt auf Gastronomen ausweiten.“

Die größte Herausforderung besteht laut Reichel-Fröhlich in der Logistik. Über die geplante Rechtsform herrsche Einigkeit: „Wir werden eine gemeinnützige Gesellschaft aufbauen mit der Diakonie als Hauptgesellschafter. Entscheidend ist die Vernetzung. Nur das Fichtelgebirge als Ganzes kann am Markt bestehen.“

Eigens erarbeitete Studie

Die Jungwissenschaftler Ole Tröbst und Friederike Fischer von der Universität Vechta stellten eine eigens dafür erarbeitete und das Projekt begründende wie flankierende Studie zum Thema „Regionale Lebensmittelversorgung für Großabnehmer im Fichtelgebirge“ vor, die unter der Leitung von Professor Karl Born erstellt worden war. Born verantwortet in Vechta den Masterstudiengang „Transformationsmanagement im ländlichen Raum“, an dem Geografen, Politikwissenschaftler, Ökonomen und auch Ethiker mitwirken. Er betonte: „Unser Ziel ist eine nachhaltigkeitsorientierte Transformation im ländlichen Raum.“ Die Anliegen des Projekts umschrieb er mit den Worten: „Es geht um kurze Transportwege, Zertifikate für regionale Produkte, die Regionalisierung von Lieferketten und die soziale Dimension: Menschen vor Ort werden mit guten Produkten versorgt, und es geschieht Wertschöpfung vor Ort.“

Tröbst und Fischer benannten Erwartungen, Bedürfnisse und Befürchtungen der regionalen Produzenten und Abnehmer aufgrund ihrer Studie. Dazu zähle vor allem Verlässlichkeit bei Anbietern und Abnehmern. Die Studie zeige, dass bereits viele Speisepläne von Großküchen mit regionalen Produkten arbeiten. Die Kunden erwarteten von dem angestrebten Projekt Vertragssicherheit, vereinfachten Kontakt zwischen Einrichtungen und Produzenten, Liefergarantien und die Möglichkeit, Monatsrechnungen zu erstellen. Sowohl Rohware als auch küchenfertige Ware sollten aus regionaler Produktion verfügbar sein.

Preisbindung und Vorschriften

Als Probleme benannten Tröbs und Fischer bei der von Astrid Köppel moderierten Veranstaltung die Preisgebundenheit an feste Sätze bei manchen Abnehmern, die geringe Nachfrage nach Bioprodukten und die staatlichen Hygienevorschriften. Die regionale Verfügbarkeit einiger Produkte sei nicht gewährleistet, Personalkapazitäten erforderten zum Teil küchenfertige Ware. Es herrsche viel Unkenntnis über regionale Verfügbarkeit von Produkten, teilweise sei keine langfristige Planung möglich. Tröbs unterstrich: „Eine zentrale Informationsplattform zur Koordination wird durchaus gewünscht.“

Öko-Modellregion als Partner

Lisa Hertel stellte schließlich die „Öko-Modellregion Fichtelgebirge“ als Projektpartner vor. Die von der Staatsregierung initiierte Aktion der „Öko-Modellregionen“ soll nach ihren Worten die Produktion heimischer Bio-Lebensmittel und das Bewusstsein für regionale Identität voranbringen. Bisher gibt es 27 solcher staatlich anerkannten Regionen, der Landkreis Wunsiedel und seine Kommunen gehören dazu. Sitz der von Hertel geleiteten Projektstelle ist im Landratsamt. Der Landkreis habe jetzt schon rund 100 zertifizierte Bio-Betriebe. „Das ist landkreisweit ein sehr hoher Anteil an Bio-Betrieben und Flächen von circa zwanzig Prozent im Vergleich zum bayerischen Durchschnitt von elf Prozent“, so Hertel.

Dass das Projekt auf Interesse stößt, aber auch Fragen weckt, wurde bei der anschließenden regen Diskussion der rund 80 Teilnehmer deutlich. So kam unter anderem die Frage nach der Bezahlbarkeit bei Regionalprodukten auf. Ein Redner monierte: „Der Handel ist ein knallhartes Geschäft. Sie müssen den Handel mit ins Boot nehmen.“ Gefragt wurde auch danach, ob die Initiatoren des Projekts wüssten, was da finanziell auf sie zukomme.

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