Riesiges Projekt Ein neues Dach für die Luisenburg

Der Auf- und Abbau des Zeltdaches dauert jeweils gut eine Woche. Foto: Florian Miedl

In Zukunft muss die riesige Plane im Winter nicht mehr in einer Kiste gepackt werden. Die Festspielbesucher in den hinteren Rängen können sich voraussichtlich ab 2025 endlich auch mal strecken. Und schließlich kann ein alter Streit ad acta gelegt werden.

 
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Immer Anfang Herbst üben sich auf der Luisenburgbühne starke Männer in Riesen-Origami. Grund ist das Zeltdach des Luisenburg-Theaters. Dieses muss in der kalten Jahreszeit gut geschützt in einer Kiste lagern. Angesichts der Dimensionen ist das exakte Falten der Plane eine Herkulesarbeit. Damit ist spätestens ab 2025 Schluss. Der Wunsiedler Stadtrat hat am Donnerstagabend beschlossen, ein neues Dach zu kaufen, da das bisherige nicht mehr viele Jahre hält. Die gigantische Kiste ist damit Geschichte. Mit der Investition schafft die Stadt Wunsiedel eine Mehrfach-Win-Situation, wie Bürgermeister Nicolas Lahovnik sagt.

Ein Ort der Architekturgeschichte

Die Luisenburg ist nicht nur ein Ort hochkarätiger Schauspielkunst, sondern auch einer, an dem Architekturgeschichte geschrieben wurde. Der Architekt Frei Otto konzipierte für die Luisenburg das erste Zeltdach über ein Bauwerk in derartiger Dimension. 1970 ist es erstmals über die Zuschauertribüne gezogen worden. Es gilt als architektonischer Vorläufer für die mittlerweile denkmalgeschützte Zeltdachkonstruktion des Münchner Olympiastadions.

Nur ein Problem gibt es: Die Zeltmem-bran ist nicht gerade langlebig. Die aktuelle stammt aus dem Jahr 2006 und wird demnach keine zwei Jahrzehnte überdauert haben. „Beim Verstauen in der Kiste entstehen Knicke, die die Membran beschädigen“, erläutert Stadtbaumeister Klaus Brunner. Dies ist kein Wunder, muss das 1,3 Tonnen schwere und mehr als 1300 Quadratmeter große Dach (das ist die Fläche von eineinhalb durchschnittlich großen Baugrundstücken) doch in eine zwar riesige, aber angesichts der Dimensionen kleine Kiste verpackt werden. Die rechteckige, 30 Quadratmeter große Holzkiste steht im Winter auf der Hauptbühne.

Dieses Schicksal bleibt dem neuen Dach erspart. „Wir lassen es einfach herab und auf die Tribüne gleiten“, erläutert Brunner. Die Membran nimmt bei Regen und Schnee keinen Schaden, wenn sie auf dem festen Untergrund liegt. Die Handwerker müssen auch in Zukunft die Sitzplätze sowie den Beleuchter- und den Tonstand abbauen. Der Aufwand des Herablassens oder Aufziehen des Daches reduziert sich zwar, aber nicht gravierend. Zumindest das aufwendige Zusammenfalten der Membran für die Lagerung in der Holzkiste entfällt. Die Vorteile sind anderer Natur, wie Lahovnik erläutert.

Da das Zeltdach nicht mehr einmal im Jahr zusammengefaltet werden muss, entstehen keine Knicke mehr, was die Lebensdauer deutlich erhöhen wird. Folglich werden auf Dauer weniger neue Zeltdächer benötigt.

Die Betontribüne ist bisher in der kalten Jahreszeit Wind und Wetter ausgesetzt, was stets Reparaturen, zum Beispiel wegen Frostschäden, zur Folge hatte. In Zukunft bedeckt und schützt das Zeltdach die Tribüne.

Die Akustik verbessert sich. Durch die neue Konstruktion profitieren vor allem die Besucher auf den hinteren Tribünenplätzen, die bislang zuweilen den leiseren Dialogen auf der Bühne nur schwerlich folgen konnten.

Die etwas größeren Besucher auf den hinteren Tribünenplätzen müssen nicht mehr den Kopf einziehen, wenn sie aufstehen, da das Zeltdach etwas höher hängt und mehr Kopffreiheit gewährt.

Der bedeutendste Vorteil: Das neue Zeltdach entspricht endlich den Vorstellungen des Architekten Frei Otto. Dadurch kann Wunsiedel einen aus dem Jahr 1978 rührenden Streit befrieden.

Um was es bei dem Streit geht

Frei Otto hatte das Zeltdach anders geplant, als es die Wunsiedler letztlich verwirklichten. Wichtigster Punkt ist die Abspannung im hinteren Zuschauerbereich. Frei Otto wollte eine luftige Konstruktion. Das Dach sollte wirken als schwebe es über der Zuschauertribüne. Die Wunsiedler hingegen zogen es im hinteren Tribünenbereich bis zum Boden herunter und veränderten Frei Ottos Konzept in den folgenden Jahren noch einige Male. Das führte dazu, dass sich Frei Otto 1978 vom Projekt distanzierte. Wie Nicolas Lahovnik sagt, erarbeiten die Erben des legendären Architekten vom Atelier „Frei Otto + Partner – Künstler – Ingenieure“ aus Sindelfingen nun für Wunsiedel gestalterische Lösungen, die dem Ur-Konzept entsprechen. „Dadurch lässt sich hoffentlich der seit 1978 andauernde Konflikt wegen der Urheberrechtsfragen befrieden.“ Sollte dies tatsächlich geschehen, könnte die Luisenburg wieder den in der Szene bekannten Namen Frei Otto nennen. Stefan Frank von der SPD bezeichnete dies als eine „super Perspektive“.

Nicht möglich ist es, das Zeltdach so weit auf die Bühne zu verlängern, dass bei Regen nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Schauspieler trocken bleiben. Diese Variante hatte Roland Schöffel von den Freien Wählern ins Spiel gebracht. Laut Klaus Brunner würde dies einerseits dem Konzept von Frei Otto widersprechen, andererseits müssten dann auch weitere Pylonen für die Dachaufhängung gebaut werden.

German Schlaug von der Fraktion Grün-Bunt erinnerte daran, dass es im Konzept von Frei Otto nicht nur um das Dach geht, sondern auch um die Stahlkonstruktion des Zuschauerraums. „Man muss wissen, es gibt weltweit kein vergleichbares Theater. Auf dieses Faszinosum sollten wir in Zukunft auch an den Autobahnen aufmerksam machen.“ Außerdem sei eine Dokumentation und Präsentation notwendig, um den Zuschauern klar zu machen, wo sie sich eigentlich befinden.

Was mit dem alten Dach geschieht

Wenn das neue Dach kommt, besitzt die Stadt nach wie vor das alte. Darauf machte Stefan Frank aufmerksam. Er könne sich vorstellen, Teile der Membran als Merchandising-Artikel zu vermarkten. „Vielleicht lässt es sich auch für andere Zwecke nutzen, etwa als Bedachung für die Nebenbühne.“ Die Merchandising-Idee empfand German Schlaug charmant. „Immerhin hat das Dach über Jahre den Geist der Luisenburg eingesogen. Man könnte es in Stücke schneiden, bedrucken und verkaufen.“ Bürgermeister Lahovnik versicherte, dass das alte Dach nicht gehäckselt und entsorgt werde. „Wir werden eine sinnvolle Lösung finden. Versprochen.“

Das neue Dach kostet 750 000 Euro, wovon die Stadt 155 000 Euro berappen muss. Die Eigenmittel werden aus dem Förderbeitrag der Luisenburg entnommen, erläuterte Lahovnik.

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