Das Regelwerk erkennt die Tests nicht an
Ein Sprecher des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, sagt ganz klar, Videotestungen sind nicht rechtmäßig. Diese ausgestellten Testzertifikate entsprechen nicht dem Testnachweis nach COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordung (SchAusnahmV). Damit berechtigen sie nicht zum Zugang zu Bereichen, in denen die 3G-Regel gilt. Auch das Bundesgesundheitsministerium weist darauf hin: Testnachweise im Rahmen von impf-, genesenen- oder nachweisbezogenen Schutzkonzepten dürften nicht auf einer videoüberwachten Selbsttestung beruhen. Das Landratsamt Kulmbach ist hier an seine vorgesetzte Staatsbehörde gebunden.
„Das können wir vom Wirt nicht erwarten“
Auch Frank-Ulrich John, Pressesprecher des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes weiß um den Wortlaut des Gesundheitsministeriums: Die Videotests sind nicht ausreichend, um sich als negativ auszuweisen. An diese klare Vorschrift halten sich die Hoteliers und Gastronomen – oder versuchen es zumindest. Denn ein besonderes Erkennungsmerkmal weisen die Zertifikate der Videotests nicht auf. Sobald die 7-Tage-Inzidenz von 35 überschritten ist, gilt für Gaststätten laut dem Verband die 3G-Regelung. Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene müssten einen negativen Test vorlegen. Die Betreiber führen eine Plausibilitätsprüfung durch: Es wird geschaut, ob das Zertifikat auch zur Person passt. Sollten an der Identität der betroffenen Person aber Zweifel bestehen, muss diese ihre Identität mittels Personalausweises beweisen.
Gibt es kein Zertifikat, wird wie bei Ertl im Hotel, ein Selbsttest unter Aufsicht durchgeführt. Kontaktdaten müssen nicht mehr dokumentiert werden. Auf freiwilliger Basis können Gastronomen und Hotels auch die 3G-Plus- oder die 2G-Regel einführen.
John sieht eher das Gesundheitsministerium in der Verantwortung: „Ich kann von einem Wirt nicht erwarten, dass er Unterschiede zwischen den verschiedenen Teststellen erkennt.“ Es gelte, die Online-Anbieter besser zu überprüfen und ihnen genauere rechtliche Vorgaben zu geben. Wer beim Selbsttest schummelt, muss bedenken, dass „eine Fälschung der Nachweise kein Kavaliersdelikt ist.“
Verhandlungen mit dem Robert-Koch-Institut
Einer der Onlineanbieter ist beispielsweise COTEON aus Bad Schwartau in Schleswig-Holstein. Laut Pressesprecherin Nadine Kupfer liefen derzeit Gespräche mit dem Robert Koch Institut, um eine Einbindung in die CovPass-App zu erhalten. COTEON sei TÜV geprüft und arbeite mit Unternehmen aus der Tourismusindustrie, wie der Lufthansa, zusammen. In den vergangenen Monaten seien mehrere zehntausend Tests online durchgeführt worden. Mit dem Beginn der Herbstferien in Bayern erwarte Kupfer zudem, dass vermehrt Familien das Angebot nutzen werden. Da Kinder bis zwölf Jahren noch nicht geimpft werden können, seinen die Online-Testung von zuhause eine Erleichterung für Eltern. Außerdem sind die Testmöglichkeiten seit dem Ende der Bürgertestungen in Kulmbach sehr begrenzt – vor allem im Landkreis. Und es gibt keine Pflicht, das Schnelltest-Zertifikat aus einer App heraus vorzuzeigen.
So funktioniert der Videotest
Die Testkassette muss der Kunde selbst besorgen, dann kauft er einen Zugangscode auf der Webseite des Onlineanbieters COTEON. Die Firma benötigt eine einmalige Identifikation über den Anbieter Web ID: Der Vorgang wird gestartet, indem auf einen Link geklickt wird, den der Kunde in einer Bestätigungsmail bekommen hat. Dann erhält der User ein Anleitungsvideo. Er muss bestätigen, dass er die Testdurchführung verstanden hat. Die eigene Smartphonekamera dokumentiert die Probeabnahme in der Nase: der Kunde und der Test sollen im Bild immer zu sehen sein. Ein Mitarbeiter kann das Video etwas zeitversetzt mitverfolgen. Das Stäbchen wird ins Röhrchen getunkt, die Probe in die Kassette getropft, fertig. Dann heißt es warten. In dieser Zeit kann der Test-Ort verlassen werden.
Nach 15 Minuten wird die Testkassette mit dem Ergebnis in die Kamera gehalten, sodass der Mitarbeiter nachvollziehen kann, dass der User das Ergebnis wirklich richtig interpretiert hat. Wenn beide Ergebnisse – das vom User und das vom Mitarbeiter, der das Video anschaut – übereinstimmen, bekommt der Kunde ein Zertifikat innerhalb von zwei Stunden zugeschickt. Sollte er positiv sein, gibt es eine Meldung ans Gesundheitsamt. Dafür muss er allerdings die Zustimmung geben.
Rechtliche Grauzone
Der Hamburger Unternehmer Can Ansay bietet die Zertifikate kostenlos an. Der Nutzer führt einen Antigen-Selbsttest durch und beantwortet dann den Fragebogen auf der Webseite. Fünf Minuten später erhält er nach der Verifizierung das Testzertifikat. In Ansays Unternehmen würden Privatärzte die Zertifikate ausstellen. Der Jurist Ansay sagt, es dauerte nur ein paar Sekunden und ein paar Cent, ein solches Zertifikat auszustellen – „dank effizienter Software“. Gemäß der Hamburger Corona-Verordnung müsse ein Test von einer Arztpraxis überwacht werden. Laut Ansay schließe das Telemedizin nicht aus.
Laut Bayerischem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sei es den Betreibern von Kneipen und Restaurants als Laien nicht möglich, anhand des Testzertifikats zu erkennen, ob dieses auch den Anforderungen entspricht. Hinzu kommt, dass es per se nicht verboten sei, online überwachte Selbsttest anzubieten und entsprechende Testzertifikate auszustellen. Diese seien nur rechtlich nicht bedeutsam. „Soweit Anbieter offen behaupten, die Testzertifikate könnten den Zugang zu Bereichen gewähren, für die die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung eine Testung vorsieht, täuschen sie den Verbraucher“, so der Wortlaut. Selbst wenn das nur auf der Webseite suggeriert werde, läge eine Täuschung vor. Laut ihm seien die örtlich für den Verbraucherschutz zuständigen Stellen in der Verantwortung – also das Landratsamt. Auch anspruchsberechtigten Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, bringen die Online-Tests nichts. Sie werden nämlich nicht vergütet. Es lägen bereits Anfragen von Anbietern digitaler Testverfahren vor, die den Status einer offizielle Teststelle haben möchten. Diese wurden jedoch stets mit Hinweis auf die geltende Rechtslage, die videoüberwachte Testungen nicht zulässt, abgelehnt.