Wahl in Hochfranken Lauter Sieger in der Niederlage

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Der Wahlabend ist für den Abgeordneten Hans-Peter Friedrich spannender als bei der CSU üblich . Foto: /Thomas Neumann

Gut möglich, dass erstmals seit vielen Jahren wieder zwei Bundestagsabgeordnete Hochfranken in Berlinvertreten. Die einstige SPD-Hochburg ist nach wie vor fest in CSU-Hand.

 
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Wunsiedel/Hof - Hans-Peter Friedrich zieht erneut als Direktkandidat in den Bundestag. Der CSU-Mann gewinnt deutlich mit 41,4 Prozent der Stimmen vor Jörg Nürnberger (SPD), der 23,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte. Damit bleibt die frühere sozialdemokratische Hochburg Hochfranken weiterhin fest in der Hand der Union.

Nein, nein, nein. Hans-Peter Friedrich hat heute Abend weder Lust auf Gedankenspiele, noch sieht der CSU-Kandidat und Wieder-Abgeordnete einen Sinn darin. Ob es mit einem Markus Söder an diesem 26. September einen neuen Kanzler der Schwarzen gegeben hätte, lautete die Frage. „Hätte, wäre, wenn – bringt nichts“, Friedrich geizt etwas mit politischer Spielfreude. Man erlebe eben ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Punkt. Ausgang ungewiss.

Balsam an einem lauen Abend

Nicht ganz. Es ist absehbar, dass er das Direktmandat holt. Er betritt den „Treffpunkt“ in Hof. Die lokale CSU beklatscht ihren Mann. Etwas Balsam an einem bisher lauen Abend. Die Runde ist weniger auf Party eingestellt. Immerhin: Mit Friedrich hat sie ihren Sieger. Schon früh am Auszählungsabend hängt er seinen SPD-Kontrahenten Jörg Nürnberger ab. Sieht er das als Bestätigung seiner Person, seiner Arbeit? „Na ja, es ist immer ein bisschen von der Gesamtstimmung abhängig“, sagt er vorsichtig. Als er hört, dass er deutlich mehr Erststimmen bekommen hat als seine Partei Zweitstimmen, wird er kurz ruhig. „Na ja, dann scheinen einige Menschen mit meiner Arbeit für den Wahlbezirk zufrieden zu sein.“ Stimmen können schmeicheln an einem Wahlabend. Jetzt könne er sich ja – Friedrich switcht in den Partei-Modus – weiter um Hochfranken kümmern, um die Digitalisierung, die Energiewende und sich in Berlin für das flache Land starkmachen.

Zurück zum Bund. Friedrich schnauft ganz tief durch. Aus R2G aus SPD, Linken und Grünen scheint es nichts zu werden – und damit nichts aus dem dunkelrot schimmernden Gespenst, das die CSU gezeichnet hatte . „Das hätte unabwägbare Reaktionen bei der Wirtschaft hervorgebracht“, sagt Friedrich. Wenig überraschend: Jamaika soll es werden. Union und FDP seien natürliche Partner. Mal sehen, wie man die Grünen ins Boot bekäme. Aber gut, SPD und Grüne sind auch natürliche Partner – wobei, räumt Friedrich ein, das Bild mit dem Boot dann eben mit der FDP das treffende wäre.

Kurs auf Berlin

Rhetorisch nimmt Friedrich wieder Kurs auf Berlin. Was er von der Einschätzung halte, es habe bei der Wahl eine Drift nach links gegeben – SPD und Grüne legen zu, Union verliert, FDP stagniert –, der Christsoziale schüttelt mit dem Kopf. Es gebe immer noch ein großes bürgerliches Lager. Die Stimmen für die SPD, meint er, seien Scholz-Stimmen, weniger für die SPD. Die Inhalte der Sozialdemokraten seien weniger entscheidend gewesen. „Der Trend war einfach für Olaf Scholz.“ Im „Treffpunkt“ ist das kurz vergessen. „Hans-Peter!“ – die CSU reicht ihrem Mann die Hand. Der Trend geht zu Friedrich. Wieder einmal. Seit 1998. Im letzten Jahrtausend.

Nein, der SPD-Mann Jörg Nürnberger hadert am Wahlabend nicht. Er hat zur Party ins Hofer Kunstkaufhaus geladen. Gekommen sind rund 30 Genossinnen und Genossen. Die meisten blicken abwechselnd auf den Fernsehbildschirm und auf das Display ihres Handys. „Ja, wir sind alle gespannt, wie sich die Ergebnisse verfestigen“, sagt Nürnberger im Gespräch mit unserer Zeitung.

Klarer Sieger

Während die Sozialdemokraten auf Bundesebene gewaltig zugelegt haben und als doch relativ klarer Sieger aus der Wahl hervorgehen, ist das Ergebnis für den Tröstauer ebenso eindeutig: Er verliert das direkte Duell mit dem CSU-Mann Hans-Peter Friedrich mit 23,8 zu 41,4 Prozent.

Ähnlich das Ergebnis bei den Zweitstimmen. Hier kommt die SPD auf 24,4, die Christsozialen auf 33,2 Prozent. Dabei hat Nürnberger bei seinen Wahlkampfterminen „sehr viel Zustimmung“ erfahren. „Es kam vor, dass Menschen vorbeigefahren sind und uns mit einem erhobenen Daumen Glück gewünscht haben.“

Auch in den Gesprächen sei deutlich geworden, wie ernst die Bürger das Angebot der Sozialdemokraten genommen hätten. „Die Stimmung war ungewohnt optimistisch.“ Gedrückt ist Nürnberger angesichts der am Ende klaren Verhältnisse nicht. „Wir haben im Bund den Regierungsauftrag, nicht nur, weil wir stärkste Kraft sind. Im Gegensatz zur CDU/CSU haben wir kräftig zugelegt.“ Er selbst freue sich über ein noch einmal besseres Ergebnis im Vergleich zu dem vor vier Jahren (Anmerkung: 0,4 Prozent).

Zug ist noch nicht abgefahren

Auch der Zug nach Berlin ist noch nicht abgefahren. „Ich liege in der bayerischen Landesliste auf Platz 19, das könnte reichen“, sagt er. Voraussichtlich noch in der Nacht oder am frühen Morgen wird sich zeigen, ob mit Jörg Nürnberger ein zweiter hochfränkischer Vertreter in den Bundestag einzieht.

Warum Hochfranken kein Selbstläufer mehr ist wie vor Jahrzehnten, liegt für Nürnberger auf der Hand. „Die einstige Stammwählerschaft ist weggebrochen, zudem zersplittert die Parteienlandschaft immer mehr.“ Damit spielt der Tröstauer vor allem auf die AfD an, die in Hochfranken dritte Kraft wird. „Dies ist ein Zeichen dafür, dass sich viele Menschen in der Region abgehängt fühlen. Jetzt gilt es diese zurückzugewinnen.“

Kögler ist zufrieden

Immer enttäuschender entwickelte sich der Wahlabend für die AfD. Hatte ihr Bundestagskandidat Gerd Kögler zwischenzeitlich fast um einen Prozentpunkt zulegen können, reichte es für ihn am Schluss gerade dazu, sein Ergebnis zu halten. Nichtsdestotrotz zeigte sich Kögler mit diesem persönlichen Ergebnis „sehr zufrieden“. Die AfD allerdings verlor 1,5 Prozentpunkte im Wahlkreis Hof und 1,6 im Landkreis Wunsiedel. Offensichtlich schnitt die AfD vor allem bei den Briefwählern schlechter ab. Für Kögler Anlass zur Kritik an der Bundespartei: „Wir haben einiges nicht gut rübergebracht.“


Friedrich sehnt sich nach Jamaika

CSU-Kandidat Hans-Peter Friedrich ist nach der ersten Prognose froh, dass Rot-Rot-Grün wahrscheinlich ausgeschlossen ist. Für ihn geht es in Richtung Jamaika, also CSU, FDP und Grüne. „Wir waren vor vier Jahren ja schon ganz knapp vor diesem Bündnis. Daran könnten wir eigentlich anknüpfen“, sagt der Abgeordnete. Damals war nach langen Gesprächen die FDP ausgestiegen. Natürlich sei auch die    Ampel-Koalition mit SPD, FDP und Grünen möglich. Nun müsse man sehen, welche Partei – Union oder SPD – inhaltlich näher an den beiden kleinen Parteien steht. Was Friedrich nicht sieht, ist eine erneute Große Koalition aus Union und SPD – „Ich denke, keine der beiden Parteien hat Lust darauf.“  Zum bayerischen CSU-Ergebnis mit minus sechs Prozent zeigt sich der Bundestagsvizepräsident enttäuscht. „Das werden wir inhaltlich aufarbeiten müssen“, sagt der Christsoziale. Hawe

Jörg Nürnberger hofft noch

Für den SPD-Kandidaten Jörg Nürnberger steht fest: „Die SPD  hat den klaren Regierungsauftrag. Ja, ich bin über das Ergebnis im Bund begeistert“, sagt Nürnberger, der im Hofer Kunstkaufhaus zur Wahlparty geladen hatte. Dass die SPD stärkste Kraft geworden ist, liegt laut dem in Tröstau wohnenden Juristen vor allem an Kanzlerkandidat Olaf Scholz. „Er hat bewiesen, dass er es kann. Und klar, er hat die Menschen in Deutschland überzeugt.“ Auf die Frage, welche Koalition er bevorzugen würde, wollte er nicht konkret antworten. „Da bin ich   offen.“ Heißt: Er könnte sich auch eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei  vorstellen, wenngleich das derzeit eher unwahrscheinlich erscheint. Dass er vielleicht künftig nicht mehr in Prag (als Anwalt), sondern in Berlin als Abgeordneter arbeitet, ist noch möglich. „Jetzt hoffe ich auf die Landesliste.“ M. Bäu.

AfD-Mann Kögler: „Sind blass geblieben“

Gerd Kögler hat es nicht gelegen: Der AfD-Kandidat hat sein Erststimmenergebnis im Wahlkreis Hof und seinem Heimatlandkreis Wunsiedel gehalten. „Und das trotz der widrigen Umstände im Kreisverband“, sagt er. Allerdings hat die AfD bei den Zweitstimmen  rund 1,5 Prozentpunkte verloren. Und damit könne man natürlich nicht zufrieden sein. Kögler sieht  einen Teil der Schuld auf Bundesebene. „Ich kann nicht im März 2020 von der Regierung Corona-Maßnahmen fordern und sechs Wochen später alles kritisieren.“ Als konservative Partei müsse man berechenbar sein. „Es sind Fehler gemacht worden.“ So sei in der Klimapolitik  viel kritisiert, aber keine Alternativen angeboten worden. „Wir hatten von Bundesebene keinen Rückenwind und sind in etlichen Punkten blass geblieben.“ Natürlich habe  auch bei der Wahlparty eher Enttäuschung geherrscht: „Wir hatten uns mehr erwartet.“ ago

Grünen-Kandidat hofft auf die Ampel

Bei Ralf Reusch, dem Direktkandidaten für Bündnis 90/Die Grünen, ist die Enttäuschung am Wahlabend groß. Sowohl auf Bundesebene als auch persönlich habe er sich mehr erhofft. „Mein Ziel war eigentlich, dass keiner von der AfD vor mir ist. Das ärgert mich schon sehr“, sagt Reusch. Mit 6,4 Prozent der Stimmen liegt er  deutlich hinter AfD-Mann Kögler. Anscheinend gebe es in der Region ein Publikum für „die plumpsten Parolen“. Reusch hofft nach eigenem Bekunden nun auf eine Bundesregierung aus SPD, FDP und den Grünen, die Ampel eben. „Rot heißt ‚Stopp’, FDP bedeutet ‚Achtung’ und bei Grün geht es vorwärts“, sagt er. Trotz des unbefriedigenden Wahlergebnisses will Reusch weitermachen und sich für die Grünen engagieren. Als Sprecher des Kreisverbandes wolle er dafür sorgen, dass die Grünen in der ländlichen Region eine breitere Basis bekommen.  P.G.

Wölfel zufrieden mit FDP-Ergebnis

„Wir stehen besser da als bei der letzten Wahl“, fasst Gabriel Wölfel, Direktkandidat der FDP für den Wahlkreis Hof/Wunsiedel, die Wahlergebnisse seiner Partei zusammen. Zwar gebe es noch etwas Luft nach oben, aber insgesamt sei Wölfel zufrieden: „Dafür, dass die FDP in unserem Wahlkreis immer schwierig Fuß gefasst hat, kann sich das Ergebnis von rund 5,2 Prozent sehen lassen.“ Auch über den Zweitstimmenanteil von etwa 8,5 Prozent könne sich Wölfel nicht beschweren. Für seinen allerersten Wahlkampf sei das ein beachtliches Ergebnis: „Ich bin wirklich sehr dankbar, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen.“ Die vergangenen Wochen seien zwar anstrengend gewesen, doch gleichzeitig habe Wölfel dabei auch viel gelernt. Eine favorisierte Koalition für die FDP wollte Gabriel Wölfel übrigens nicht nennen: „Man muss einfach sehen, welche Koalition am besten funktioniert.“ sf

Linkspartei muss Schlappe verkraften

Enttäuscht von der Wahl zeigt sich Janson Damasceno da Costa e Silva, Direktkandidat der Linken aus dem Wahlkreis Hof/Wunsiedel. Dort kommt die Linkspartei auf rund 2,1 Prozent. „Es ist für uns schon ein schlechtes Ergebnis. Wir müssen jetzt prüfen, woran das gelegen hat“, erklärt Damasceno da Costa e Silva. Bei der vergangenen Bundestagswahl kam die Linkspartei in seinem Wahlkreis noch auf 5,7 Prozent.  „Man kann das Ergebnis durchaus als Schlappe bezeichnen. Jetzt gilt es herauszufinden, warum wir die Inhalte, die aus unserer Sicht so wichtig für die Bevölkerung wären, nicht gut genug vermitteln konnten.“ Als Direktkandidat müsse sich Damasceno da Costa e Silva dabei auch an die eigene Nase fassen: „Wir haben zwar schon mit Verlusten gerechnet, aber nicht damit, dass es so deutlich wird.“ Das gelte es in den kommenden Wochen und Monaten aufzuarbeiten. sf


Kommentar von Matthias Bäumler: Scholz sticht, Nürnberger eher nicht

Die alte Weisheit des früheren FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß hat sich für Jörg Nürnberger nicht bewahrheitet: „The Trend ist your Friend“. Obwohl die SPD bundesweit in den vergangenen Wochen eine schier unglaubliche Aufholjagd hingelegt hat und an der   vor Monaten noch klar führenden CDU/CSU vorbeigezogen ist, hat der hochfränkische SPD-Kandidat nicht davon profitieren können. Erneut verliert er eine Wahl.  CSU-Kandidat Hans-Peter Friedrich zieht   mit klarer Mehrheit in den Bundestag ein. Friedrich hat seinen Amtsbonus   gut zu nutzen gewusst und sich unter anderem mit seinem Einsatz für die Wasserstoffregion Wunsiedel hervorgetan. Dergleichen konnte Nürnberger nicht vorlegen, wenngleich er, etwa im Kreistag, höchst streitbar und konstruktiv agiert. Ob der Tröstauer den Ruf als ewiger Verlierer (er hat zweimal für den Bundestag, einmal als Landrat kandidiert) je ablegen kann? Kaum. Ein Ergebnis des Abends ist bedrückend: Die rechtsextreme AfD kommt im Landkreis Wunsiedel auf 11,7 Prozent und ist damit klar dritte politische Kraft. Das gibt zu denken.

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