Weihnachten allein? Stille Nacht muss nicht einsam sein

Einsam unterm Weihnachtsbaum? Das muss nicht sein. Es gibt Strategien, die helfen, sich nicht allein zu fühlen. Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Einsamkeit kann jede und jeden treffen. Besonders an Weihnachten treibt die Angst viele Menschen um. Es gibt Wege, an Weihnachten nicht allein zu sein.

 
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Die Ehe ist gescheitert, die Kinder ausgezogen oder der Partner verstorben – es gibt viele Gründe, warum Menschen einsam sind. Zu keiner anderen Zeit im Jahr ist das Gefühl der Einsamkeit bei vielen Menschen wohl so akut wie an Weihnachten. Der gesellschaftliche Druck, das „Fest der Liebe“ in Gesellschaft der Familie zu verbringen, ist groß. Doch was, wenn keine Familie da ist?

Eine Möglichkeit ist es, an Heiligabend die Weihnachtsfeier für alleinstehende, alleinerziehende und wohnungslose Menschen im Gemeindehaus der Lorenzkirche in Hof zu besuchen. Organisiert wird sie von Werner Schrepfer, Leiter der Bezirksstelle der Diakonie Hochfranken, und Verwaltungskraft Alexandra Schmidt. Von Anfang an dabei ist Ulrich Wendel, der als Gabenpfleger der Hofer Freimaurer die Veranstaltung unterstützt. 1500 Euro gibt es heuer wieder als Zuschuss für die Feier. Elf Ehrenamtliche unterstützen bei der Organisation und Durchführung.

Bis zu 90 Personen bei der Feier

1985 fand die erste Feier statt, damals noch im ehemaligen Klarissenkloster an der Lessingstraße. „Ursprünglich war die Feier entstanden, um obdachlosen Menschen zu ermöglichen, in Gesellschaft zu feiern. Nach dem Umzug in das Gemeindehaus Sankt Lorenz wurde der Kreis um Alleinstehende und Alleinerziehende erweitert“, erläutert Werner Schrepfer. „Es sind deutlich mehr Menschen gekommen“, pflichtet ihm Ulrich Wendel bei. Heute sind bis zu 90 Personen dabei, auch bedürftige Menschen und Familien – auch wenn sich die Feier eher nicht an diese Zielgruppe richtet. „Wir schicken natürlich niemanden weg, der dabei sein möchte“, sagt Schrepfer. Jeder Besucher bekommt ein Wurstpaket, zur Hälfte gesponsert von einer Hofer Metzgerei.

Weihnachtsfeier für alleinstehende, alleinerziehende und wohnungslose Menschen im Gemeindehaus der Lorenzkirche in Hof. Foto: Diakonie Hochfranken

Seit dem Umzug ins Gemeindehaus Sankt Lorenz kommen viele Menschen aus dem Stadtgebiet, vor allem aus dem Bahnhofsviertel zur Zusammenkunft, sagt Werner Schrepfer. Das Viertel sei ein sozialer Brennpunkt, viele bedürftige Menschen lebten dort. Auch einige wenige Menschen aus dem Landkreis Hof gesellen sich dazu. Ein Teil davon gehört zu jenen, die jeden Mittwoch zu einem gemeinsamen Mittagessen in Sankt Lorenz kommen – das sind vor allem Menschen mit einem geringen Einkommen, erläutert Alexandra Schmidt. Sie organisiert den Ablauf der Feier – engagiert den Pfarrer, der die Andacht hält und die Sänger für das Rahmenprogramm. Sie besorgt Plätzchen, Stollen, Kaffee und Kakao und schmückt den Raum. „Das sind lauter schöne Aufgaben“, sagt sie.

Arme Familien, ältere Menschen

Weniger schön sind zum Teil die Schicksale der Menschen, die die Weihnachtsfeier an Heiligabend besuchen. Viele Stammgäste kommen jedes Jahr vorbei. Es sind drei bis vier Obdachlose darunter, sagt Schrepfer. Der Rest sind Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, Familien, die finanziell nicht in der Lage sind, eine schöne Feier zu Hause auszurichten, ältere Menschen, deren Kinder weggezogen sind oder Alleinerziehende, die nach der Scheidung oder dem Tod des Partners einsam sind.

Denn Einsamkeit betrifft keineswegs nur ältere oder arme Menschen: Das Gefühl kann bei Menschen in allen gesellschaftlichen Schichten und jeden Alters aufkommen, sagt Tanja Hering. Sie ist am Hofer Gesundheitsamt für psychosoziale Beratung zuständig. Auch junge Menschen können sich allein fühlen, wenn sie etwa als Stundenten in eine fremde Stadt ziehen, ihr Familiengefüge verlassen und sich ein neues Leben aufbauen müssen. Das Thema sei mittlerweile auch bei den sozialen Diensten der Hochschulen angekommen.

Dabei ist der Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein groß. „Manchmal ist es gut, sich zurückzuziehen, um sich von der Gesellschaft, den Medien und allem, was auf einen einprasselt, geistig und emotional zu erholen und zu entspannen“, erläutert Tanja Hering. Alleinsein ist also ein gewollt herbeigeführter Zustand, wohingegen einsame Menschen sich oft isoliert fühlen. „Menschen sind soziale Wesen und verbinden Isolation mit Gefühlen von Angst, Trauer und Verlust.“ Als Folge dieser negativen Gefühle könnten auch Depressionen entstehen. Das Leben erscheine den betroffenen Menschen als „schwarz, trostlos, hoffnungslos“. Sie glaubten, dass sie selbst alleine sind und alle anderen in Gesellschaft.

Es gibt aber Möglichkeiten, aus der Einsamkeit herauszutreten, sagt Hering: „Wenn man Glück hat, gehen Verwandte oder Freunde aktiv von sich aus auf den Betroffenen zu.“ Die betroffenen Menschen selbst müssten aber auch selbst aktiv werden und sich ablenken, auf andere Gedanken kommen, andere Menschen bewusst wahrnehmen. Dabei können kleine Schritte zielführend sein: Man kann zum Beispiel einen Stollen backen und ihn dem Nachbarn schenken, der einen schon immer gegrüßt hat. Oder an Weihnachten in die Kirche gehen, ein Weihnachtskonzert besuchen, einen Spaziergang an einem Ort machen, an dem sich viele Menschen aufhalten oder sich in ein Café setzen, in dem man vorher noch nie gewesen ist. „Das kann natürlich für manche Menschen schwierig sein, weil sie das Gefühl haben, andere Menschen sehen ihnen die Einsamkeit und Traurigkeit an“, sagt Hering.

Aktiv Kraft aufzubringen könne auch für Menschen mit Behinderungen oder mit chronischen Erkrankungen eine Herausforderung sein. Hier könnten „besondere Hilfen“ unterstützen, wie zum Beispiel verschiedene Krisendienste. In Stadt und Landkreis Hof und dem Landkreis Wunsiedel gibt es ein großes Angebot an psychosozialen Einrichtungen, die im niederschwelligen Bereich gesundheitliche Hilfe anbieten, kostenfrei sind und auch anonym zurate gezogen werden können.

„Wichtig ist, sich nicht in der großen Erwartung zum ‚Fest der Liebe’ zu verlieren“, sagt Tanja Hering.

Kontakte gegen Einsamkeit

Sozialpsychiatrischer Dienst:
Luitpoldstraße 18 in Hof (09281/837-530, www.diakonie-hochfranken.de „Wege aus der Krise“ Die Broschüre der psychosozialen Arbeitsgemeinschaft gibt einen Überblick über Anlaufstellen in Stadt und Land: www.landkreis-hof.de.

Booklet „Gemeinsam statt einsam“
der Gesundheitsregion Plus, zeigt Wege aus der Einsamkeit. Selbsthilfegruppen finden sich im Selbsthilfewegweiser der Diakonie Hochfranken.

Die Kulturlandschaft
in der Region bietet vielfältige Gruppen- und Vereinsaktivitäten, Veranstaltungen. Ein Alleinstellungsmerkmal in der Region sind die jährlich ab dem 10. Oktober stattfindenden „Hochfränkischen Wochen der seelischen Gesundheit“, eine Veranstaltungsreihe, die kostenlose Aktionen rund um die seelische Gesundheit anbietet.

Der Krisendienst Oberfranken
bietet rund um die Uhr professionelle Hilfe bei psychischen Krisen und kann im Notfall Fachteams vorbei schicken: 0800/6553000.

Sozialpädagogischer Dienst
des Gesundheitsamtes Hof ist Ansprechpartner für individuelle Fragen: 09281/972110.

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