Wunsiedels Landrat Peter Berek zieht Corona-Bilanz „Kein Talent darf verloren gehen“

Landrat Peter Berek und sein Team vom Landratsamt wollen die Bürger für das „Unternehmen Fichtelgebirge“ gewinnen. Foto:  

Landrat Peter Berek will, dass sich alle Bürger im Landkreis Wunsiedel am „Unternehmen Fichtelgebirge“ beteiligen. Die Corona-Krise hat die

 
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Wunsiedel - Wenn es nach Landrat Peter Berek geht, wird der Landkreis Wunsiedel zur Mitmach-Region. Die Corona-Krise zeige ihm, dass dies durchaus realistisch ist.

Herr Berek, seit Beginn Ihrer Amtszeit sind Sie im Corona-Modus. Da würde es nicht verwundern, wenn zahlreiche Projekte hintangestellt oder auf der Strecke geblieben wären.

Das ist aber nicht der Fall, wir haben alle Aufgaben angepackt und den Landkreis weiterentwickelt. Nichts ist hintangestellt worden. Dennoch ist natürlich nicht alles gut. Mir fehlen zum Beispiel die Begegnungen. Nur wenn man Menschen trifft, erfährt man, was sie bewegt. In Videokonferenzen ist das gar nicht möglich.

Gibt es Lehren, die Sie aus elf Monaten Corona gezogen haben?

Mich persönlich beschäftigt es, wenn ich sehe, wie wir in Deutschland einfach so davon ausgehen, dass es hier genügend Corona-Impfstoff gibt. Dabei ist das beileibe keine Selbstverständlichkeit, wenn man die Situation in weniger wohlhabenderen Ländern ansieht. Das zeigt mir aber auch ganz deutlich, dass die Menschen wieder mehr zusammenrücken müssen, und zwar weltweit betrachtet.

Und wie sieht es in der Region aus?

Auch wenn es in Zusammenhang mit Corona blöd klingen mag: Ich war und bin begeistert, wie die Bürger in unserem Landkreis die Ärmel hochkrempeln und sagen: Wir packen es an, wir schaffen das. In jedem Ort haben sich sofort Helferkreise gebildet, niemand ist alleingelassen worden, die Nachbarn haben sich gekümmert, die Kinder und Eltern Großartiges geleistet. Das macht mich schon stolz.

Auch die Mitarbeiter des Landratsamts haben sich sofort engagiert.

Wir haben eine Plattform „Suchen und Helfen“ gegründet. Es war fantastisch, was da innerhalb kurzer Zeit für Hilfsangebote eingingen. Auf der anderen Seite herrschte aber wenig Nachfrage, da sich die Bürger, wie gesagt, hervorragend umeinander gekümmert haben.

Es ist sicherlich gut, wenn sich die Bürger umeinander kümmern. Doch kümmert sich die Landkreispolitik auch um die Bürger?

Um sie geht es ja und um niemanden anderen. Unsere Aufgabe als Landratsamt ist es im Grunde, dazu beizutragen, dass sich die Menschen hier wohl fühlen. Aber ich gehe noch einen Schritt weiter: Jeder der 73 000 hier lebenden Menschen hat ein Talent. Die Talente zu fördern und auch für den Landkreis nutzbar zu machen, das gilt es zu erreichen.

Wie wollen Sie das anpacken?

Man könnte natürlich ein Gründerzentrum hinstellen und darauf hoffen, dass jemand ein Unternehmen gründet. Wir müssen aber weg kommen vom Denken, ein Gebäude könnte es richten. Es gilt jetzt, die Menschen dafür zu begeistern, beim „Unternehmen Fichtelgebirge“ mitzumachen. Da sprechen wir nicht nur den potenziellen Unternehmer an, sondern auch den Zahlenfuchs, der vielleicht einen Verein als Kassier unterstützen könnte, oder die Frau mit dem grünen Daumen, die Ideen hat oder hilft, eine öffentliche Fläche mitzugestalten. Jeder ist wichtig, egal ob reiner Kopfmensch oder Handwerker.

Das klingt ja schön, aber wie wollen Sie die Menschen für das „Unternehmen Fichtelgebirge“ gewinnen?

Das ist die entscheidende Frage. Wir haben dafür eine Arbeitsgruppe im Landratsamt gegründet und holen uns auch externe Hilfe von den Profis des Helfrechtzentrums in Bad Alexandersbad. Auch die überlegen mit. Im Grunde soll das Mitmachen den Menschen hier das Leben noch schöner machen.

Auf Corona war keine Behörde vorbereitet. Wie hat das Krisenmanagement das Landratsamt verändert?

Wirklich tiefgreifend. Man kann sich kaum vorstellen, welche Informationsflut jeden Tag in alle Abteilungen hineinschwappt. Alles ist neu, wir mussten und müssen in vielen Bereichen improvisieren. So war erst nicht klar, wie wir auf einmal so viele Masken bekommen können, wie benötigt wurden. Da zapften wir dann die verschiedensten Kanäle an. Oder nehmen wir die Teststation Schirnding, die zunächst der Freistaat betrieb. Als sie abgebaut werden sollte, waren wir uns hier alle einig, dass wir sie weiterhin benötigen. Ich habe während einer Sitzung eine Whats-App an Gesundheitsministerin Melanie Huml geschrieben. Zehn Minuten später erhielt ich den Anruf aus dem Ministerium, bei dem wir festgezurrt haben, dass wir die Station weiter betreiben und der Freistaat zahlt.

Das klingt so, als wären die Kommunikationswege in die Ministerien kürzer geworden.

Das sind sie definitiv. Anders wäre eine derartige Krise auch nicht zu bewältigen. Als Anhänger des Subsidiaritäts-Prinzips glaube ich, dass alles, was auf unterer Ebene geregelt werden kann, auch hier geregelt werden soll. Wenn wir nicht mehr weiterkommen, wenden wir uns an die nächsthöhere Instanz. Und dann sind eben auch mal schnelle und unkonventionelle Lösungen gefragt.

Sie sehen den Landkreis Wunsiedel als Gegenmodell zu den Ballungsräumen. Trifft dies auch auf den Umgang mit Corona zu?

Corona hat zumindest gezeigt, dass alles, was an einer Großstadt immer als besonders schick galt, also die Einkaufsstraßen oder die Partyszene, auf einmal problematisch war. Und hier? Da war – verzeihen Sie den Ausdruck – unser geiler Wald auf einmal absolut in. Eines ist klar: Im ländlichen Raum lebt es sich auch in einer derartigen Krise einfacher. Man kann in die Natur genießen, durchatmen und runterkommen. Hier pflegen die Menschen gute Kontakte, hier hilft man sich.

Dennoch sind die Ballungsräume für viele Menschen verlockend. Immerhin gibt es dort ein riesiges Angebot aller Art auf engem Raum.

Das mag sein, aber fast alles lässt sich auch auf dem Land verwirklichen. Hier kommt die Digitalisierung ins Spiel. Diese hat durch Corona einen mächtigen Schub bekommen. Hier sind wir im Landkreis Wunsiedel ganz vorne dabei, wie die vielen Förderprogramme beweisen, für die unsere Region ausgewählt worden ist.

Das Landratsamt hat die Bürger über Projekte abstimmen lassen. Was wird davon verwirklicht?

Möglichst alles. Auf alle Fälle aber die Mobilitätsstationen in mehreren Orten, die Fichtel-App und der digitale regionale Marktplatz.

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