Wunsiedler Jean-Paul-Schule auf der digitalen Überholspur „Eigentlich will jeder wieder reinkommen“

Michaela Götz zeigt auf dem Whiteboard, wie sie mit der digitalen Pinwand ihren Schülern die Woche strukturiert. Foto: /Matthias Bäumler

In der Jean-Paul-Schule inWunsiedel hat die digitaleZukunft längst begonnen.Dies ist in Zeiten vonCorona zwar ein besonderer Vorteil, doch längst kein Allheilmittel.

 
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Wunsiedel - Pausen. Für Schüler sind das normalerweise die schönsten Minuten eines Schultags. Daran hat sich auch in Zeiten des Homeschoolings nichts geändert. Nur dass die Kinder der Jean-Paul-Schule nicht zusammen auf dem Pausenhof herumtollen, sondern via Webcam munter mit ihren Mitschülern plaudern. Noch fünf Minuten, dann geht es weiter mit Mathematik.

In der erst vor wenigen Jahren komplett sanierten Jean-Paul-Schule hat die digitale Zukunft längst begonnen. Schon vor Corona war multimedial-unterstützter Unterricht hier üblich – allerdings im Klassenzimmer. Via Whiteboard hatten die schier unendlichen Lernwelten des Internets Einzug in den Unterricht gehalten. Kein Wunder, dass sich der Leiter der Mittelschule, Stefan Müller, über seine „sehr technikaffinen Kollegen“ freut. Davon profitieren die Schüler jetzt im Distanzunterricht. Und wenn die Lehrer und Lehrerinnen mal vor einem Problem stehen, weil die EDV nicht so will wie sie, gibt es mit Sunay Kan einen kompetenten System-Betreuer. „Da er selbst Lehrer ist, kennt er unsere Bedürfnisse. Das funktioniert bestens“, lobt Michaela Götz, Klassenlehrerin der 5B, ihren Kollegen. Sollte auch er einmal Hilfe benötigen, bespricht er sich mit dem Schulsystembetreuer des Landratsamtes, Deniz Fritsch.

iPads für die Schüler

Da relativ viele Schüler keine digitale Ausstattung zur Verfügung haben, haben die Schulleiter 79 iPads zum Verleihen für die Grundschüler und 33 für die Mittelschüler bestellt, damit auch wirklich jeder zumindest technisch auf annähernd gleichem Stand ist. „Gerade im Distanzunterricht ist die Gefahr groß, dass das eine oder andere Kind abgehängt wird“, sagte Schulleiter Müller bei einem Schulbesuch von Bürgermeister Nicolas Lahovnik. Dieser war vor allem vom Engagement der Lehrer angetan. „Gut zudem, dass die Grund- und Mittelschule mit einem Glasfaseranschluss ausgestattet ist, der schnelles Internet möglich macht.“ Für die Digitalisierung seien dank verschiedener Fördertöpfe zusammen 358 000 Euro investiert worden. Zudem werden laut Lahovnik aus einem Sonderbudget 30 000 Euro angezapft, mit denen Lehrerdienstgeräte beschafft würden.

7.45 Uhr. Michaela Götz startet im Klassenzimmer den Rechner. Zugleich baut sich der Bildschirm am Whiteboard auf. Zehn Minuten später meldet sich die erste Schülerin und wünscht ihrer Lehrerin einen guten Morgen. Um Punkt 8 Uhr ist die gesamte Klasse via Internet virtuell versammelt. Nur einer fehlt. Seine Eltern haben ihn im „Schulmanager“, einer Online-Kommunikationsplattform, entschuldigt. Der Unterricht kann beginnen.

Plakate für die virtuelle Pinwand

„Wir nutzen das Programm Padlet zum Strukturieren der Tage und des Unterrichts“, erläutert die Klassenleiterin. Dank der virtuellen Pinwand wissen alle Schüler über den Stundenplan für jeden Wochentag, den Lernstoff und die Hausaufgaben Bescheid. Im Fach Geschichte/Politik/Geographie dreht sich seit einigen Tagen alles um das alte Ägypten. Zum normalen Unterricht – so es überhaupt eine Art Normalität beim Homeschooling gibt – stellt Michaela Götz zusätzliche Materialien auf die Pinwand, mit denen sich die Schüler im Grunde stundenlang in die Thematik einarbeiten könnten. Unter anderem gibt es einen Film aus „BR Alpha“ und mehrere Arbeitsblätter. Am Ende des Unterrichtsblocks müssen alle Mädchen und Jungen ein Ägypten-Plakat gestalten und auf die virtuelle Pinwand stellen.

Ähnlich läuft der Alltag in der 7. Klasse bei Konrektorin Christina Bauer. „Auch für uns Lehrer ist der Distanzunterricht anspruchsvoll. Die Vorbereitung ist umfassender und länger. Auch ist es schwerer, zu kontrollieren, ob wirklich alle Schüler dem Unterricht folgen können. Normalerweise gehe ich durch die Klasse und sehe auf den ersten Blick am Hefteintrag, ob jemand Hilfe benötigt. Da müssen wir nun wesentlich intensiver nachfragen.“

Lehrer fürchten um die Chancengleichheit

Immer wieder fällt im Gespräch mit den Lehrern das Wort Chancengleichheit. Ist sie wirklich gegeben, wenn sich bei einigen Schülern die Eltern kaum für den Schulalltag ihrer Kinder interessieren? Gibt es Chancengleichheit für Kinder im Distanzunterricht, die erst vor zwei Jahren aus einem Bürgerkriegsland nach Wunsiedel gekommen sind und gerade so ein bisschen Deutsch sprechen? Und wie sieht es mit der Chancengleichheit für Schüler aus, die auf einem Aussiedlerhof mit einer miserablen Internetverbindung leben?

Zumindest letzteres Problem zu beseitigen ist für die Stadt Wunsiedel seit Jahren Daueraufgabe. „In allen Stadtbezirken, die von der SWW mit Internet versorgt werden, steht schnelles Internet zur Verfügung. Aber es gibt tatsächlich einige Stellen im Stadtgebiet, für die ein anderer Telekommunikationsanbieter zuständig ist...“, sagt Lahovnik. Damit in diesen Gebieten auch Weiler mit schnellem Internet versorgt werden, zapft die Festspielstadt Förderprogramme wie den „Höfebonus“ an.

Distanzunterricht erreicht 90 Prozent der Schüler

Zurück in die Schule. Schulleiter Stefan Müller schätzt, dass mit dem Distanzunterricht sicherlich gut 90 Prozent aller Schüler erreicht werden. Dennoch spürt er ebenso wie die übrigen Lehrer bei einigen Mädchen und Jungen den zunehmenden Frust über die Situation. „Ich glaube, es gibt keinen Schüler, der nicht liebend gerne wieder zurück in den normalen Unterricht wollte.“ Schon hat Müller zusammen mit den Experten vom Gesundheitsamt ein Hygienekonzept ausgetüftelt, bei dem die Spuck- oder Gurgeltests die zentrale Rolle spielen, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein.

Vor allem für die Abschlussklassen hofft Müller, dass sie möglichst bald wieder schulische Normalität genießen können. „Auch hier geht es um die Chancengleichheit. In Landesteilen mit niedriger Inzidenz können sich die Schüler längst im Klassenzimmer auf den Quali vorbereiten. Unsere haben hier das Nachsehen. Das darf nicht sein.“

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