Manch einer der Absolventen der P-Klasse (diese gibt es seit 2005) ist sogar in einem der als anspruchsvoll geltenden Ausbildungsberufe seinen Weg gegangen. „Ja, wir haben auch schon Schüler, die eine Kfz-Mechatroniker-Lehre abschlossen oder heute sogar einen Meisterbrief in Händen halten“, sagt Müller.
Dass die Praxis-Klasse dennoch keine Erfolgsgarantie bieten kann, müssen einige Schüler erfahren. „Als ich einem Jungen sagen musste, dass seine Noten nicht für einen Abschluss (Anmerkung: „Theorieentlasteter Mittelschulabschluss) reichen, hat sich prompt sein Vater gemeldet“, berichtet Thomas Bauer. Zuvor hat der Lehrer monatelang versucht, ihn zu erreichen – vergeblich. „Ich wollte ihn bitten, sich darum zu kümmern, dass sein Sohn regelmäßig den Unterricht besucht. Er hat auf Briefe, auf Mails oder auf Anrufe nie reagiert. Erst, als es zu spät war. In derartigen Fällen sind auch wir machtlos.“
Elternarbeit ist ein wichtiger Teil von Sozialarbeiterin Christiane Skalitz’ Aufgaben. „Natürlich spreche ich mit den Müttern und Vätern, um sie zu unterstützen.“ Allerdings: Nicht alle Eltern leben in schwierigen Verhältnissen und kümmern sich kaum um ihre Kinder. Zunächst muss sie aber die Schüler in die Lage zu versetzen, von ihren Heimatorten nach Wunsiedel zum Unterricht zu kommen. „Fast niemand ist in der Lage, einen Busfahrplan zu lesen.“ Viele Lehrer können sich gar nicht vorstellen, wie manche Kinder auch hier in der Region leben müssen.
Für manche Schüler ist die P-Klasse wie eine Familie. Endlich können sie zeigen, was in ihnen steckt. Endlich macht Unterricht auch mal Spaß. Und endlich ist nicht nur Theorie wichtig. Obwohl diese nicht zu kurz kommt. Thomas Bauer packt in das eine Schuljahr die wichtigsten Inhalte aus den Jahrgangsstufen fünf bis acht. „Wir fangen bei den Grundrechenarten an und hören mit Pythagoras auf“, nennt er etwa das Programm in Mathematik. Mathematik, Deutsch, Ethik, Sport, ein Sammelfach aus Geschichte sowie Sozialkunde und weitere gesellschaftskundliche Inhalte zählen zum Lehrplan.
Am wichtigsten aber ist die Praxis. Einmal in der Woche gibt es den sogenannten Praxistag. Hier lernen die Schüler die Grundbegriffe der EDV bis hin zur Powerpointpräsentation, arbeiten im Werkraum oder stehen in der Schulküche am Herd. Zudem sind sieben Wochen Praktikum Pflicht. „Hier können sie zeigen, was in ihnen steckt. Wir wollen, dass die Schüler am Ende eine Lehrstelle finden.“ Daher gehören auch Themen wie Bewerbungstraining oder „Lernen lernen“ zum Schulalltag. Letztere übernimmt Sozialpädagogin Christiane Skalitz.
Die pädagogische „Manpower“ der P-Klasse hält Schulleiter Stefan Müller für ideal. „Wir haben eine kleine Klasse mit einem Klassenlehrer und einer Sozialpädagogin, ohne die es schlicht nicht funktionieren würde.
Sorgen bereitet Müller die gesellschaftliche Kluft. „Seit 2005 sind die Hälfte aller Mittelschulen in Oberfranken geschlossen worden. Das muss man sich vor Augen halten: Wer soll denn künftig all die Arbeit im Handwerk erledigen, wenn niemand mehr mit den Händen sein Geld verdienen will? Der Gesellschaft muss klar werden, dass sie nicht nur Studierte benötigt, sondern ebenso gute Handwerker.“ Die meisten der P-Schüler wollen genau dies: Handwerker werden.