Man nehme eine weiß grundierte Maler-Leinwand und setzte sie eine Zeit lang den Einflüssen etwa eines Badezimmers, Kohlenkellers, Balkons oder Gartens aus - das Ergebnis ist Kunst. Jedenfalls hat die mehrfach ausgezeichnete deutsche Konzeptkünstlerin Karin Sander auf diese Weise ihr OEuvre um 139 "Gebrauchsbilder" erweitert, die zurzeit im Kunstmuseum St. Gallen zu sehen sind. Die Künstlerin hat die Arbeiten nicht hergestellt, geschweige denn gemalt, sondern "in Auftrag gegeben". Einige der Bilder hat sie niemals berührt. Die meist kleinformatigen Leinwände wurden in Galerien zusammen mit einer schriftlichen Handlungsanweisung in Form eines Zertifikats verkauft. Dem Käufer wurde auferlegt, den "Rohling" an einen von ihm zu bestimmenden Ort zu bringen und dort für einen von ihm festzulegenden Zeitraum zu belassen. Das fertige Bild, auf dem die Örtlichkeit mehr oder weniger deutliche Spuren hinterließ, hieß dann zum Beispiel "Küche. Lörrach. Juni 2002 - Januar 2005". Ein Scherz? Keineswegs. Karin Sander, die sich immer wieder mit grundsätzlichen Fragen des Bildnerischen beschäftigt, stellt damit die klassische Rollenverteilung von Künstler, Werk und Betrachter auf den Kopf. Ihre "Gebrauchsbilder" bedeuten eine Abkehr vom "wertvollen Objekt" und eine Hinwendung zum Kunstwerk als Situation, Aktion oder Event. Von sich reden machte die Künstlerin früher schon mit einem Hühnerei, das sie als Skulptur ausstellte, und mit abstrakten Porträts aus Partikeln, die sie mit dem Fusselroller von den jeweiligen Personen abnahm. Im Neuen Berliner Kunstverein ließ sie einmal Löcher in die Decke der Galerieräume bohren, und zwar an genau der Stelle, wo in den Büroräumen darüber die Papierkörbe standen; so regnete der Büroabfall direkt in die Galerie hinab und wurde Kunst. Alle 139 "Gebrauchsbilder" sind anlässlich der St. Gallener Ausstellung in einem Katalog abgebildet, der im Verlag für moderne Kunst Nürnberg erschienen ist.