Selb/Asch - Es ist ein Tag, der in die Geschichte eingehen wird. Einer, auf den viele hingearbeitet haben, dies- und jenseits der Grenze. Seit dem gestrigen Sonntag fahren endlich wieder offiziell Züge zwischen Selb und Asch. Die Bahnlinie Hof-Eger ist reaktiviert, der Lückenschluss zwischen Selb und Asch ein historisches Ereignis, das es groß zu feiern gilt. Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch und sein tschechischer Kollege aus Asch, Dalibor Blažek, strahlen um die Wette. Allerdings kommt keiner von beiden in den Genuss der Zugfahrt. Denn um pünktlich zur Feier im Porzellanikon in Selb einzutreffen, sind sie gezwungen, aufs Auto umzusteigen. Die Züge sind hoffnungslos überfüllt. Und nicht nur das.

Vor dem Fest: Der Wind pfeift über den Bahnsteig. Fröhlich warten in Selb-Plößberg alle auf den großen Moment. Zum ersten Mal seit 70 Jahren soll es wieder von hüben nach drüben gehen. Der Morgenzug ist schon raus. Aber um 9.39 Uhr will die Masse fahren, das Bahnhof-Fest in Asch nicht verpassen, das zur Wiederinbetriebnahme der Linie Selb-Asch geplant ist. 9.39 Uhr prangt auch oben an der Tafel. Nicht nur zahlreiche Mitglieder des Bund Naturschutz haben unendlich lange auf diesen Tag gewartet. Und dann das: „25 Minuten Verspätung“ steht als Lauftext neben der Abfahrtszeit. Das ist um 9.32 Uhr. Wenig später verheißt die Stimme über Lautsprecher weiteres Übel: 40 Minuten Verspätung. Die Menschen, die im Regen stehen, sind sauer auf die Bahn. „Kann nicht mal an so einem Tag etwas funktionieren?“

„Typisch Bahn halt“, murren einige kopfschüttelnd. Dann endlich rollt er ein, der verspätete Zug aus Hof. Hoffnungslos überfüllt. Dicht gedrängt bis an die automatisch sich öffnenden Türen stehen die Menschen. „Wir haben in Rehau 50 Minuten warten müssen“, sagt Nanne Wienands vom Bund Naturschutz. Aber trotzdem strahlt sie, freut sich, dass all die Demonstrationen und Aktionen in der Vergangenheit nicht umsonst gewesen sind. „Welch ein freudiger Tag!“

Die meisten, die in Plößberg in der Kälte ausgeharrt haben, bleiben abermals zurück, müssen auf den nächsten Zug warten. Sie schaffen es gerade noch pünktlich in den Ascher Bahnhof. Hier heißt die Bläserklasse der Selber Mittelschule die Gäste mit der Deutschland-Hymne willkommen, eine Solistin aus Asch präsentiert die tschechische Hymne. An ein „freudiges und trauriges Jubiläum“ erinnert Bürgermeister Blažek: „Vor 150 Jahren gab es erstmals einen Zugverkehr zwischen Hof und Cheb, und vor 70 Jahren wurde er wegen des Kriegs wieder eingestellt.“ 15 lange Jahre hätten viele Menschen jetzt beiderseits der Grenze auf diesen denkwürdigen Tag hingearbeitet, sagt der Bürgermeister. „Wir hoffen auf viele zufriedene Reisende, damit niemandem mehr einfällt, diese Strecke zu schließen“, betont Blažek – und spricht seinem Amtskollegen Pötzsch aus der Seele. „Jetzt ist verbunden, was längst zusammengehört.“ Die Freunde im Herzen Europas seien noch ein Stück mehr zusammen gewachsen.

Ein ganz wichtiger Motor in all den Jahren sei Florian Liese vom Münchner Innenministerium gewesen. Pötzsch’ Dank gilt auch den Bürgermeistern von Asch – neben Blažek dessen Stellvertreter Pavel Klepácek –, „die immer überzeugt waren von der Zukunft dieser Verbindung“. Nicht nur freundschaftlich, auch wirtschaftlich und touristisch sei diese Bahnlinie bedeutsam, gibt der Selber Oberbürgermeister zu verstehen. Und lädt ein, die Feier in Selb fortzusetzen.

Nur wie? Denn gerade kommt die Meldung, dass auch der 12.03-Uhr-Zug hoffnungslos überfüllt ist. „Ich hätte nie gedacht, dass ich am ersten Tag, an dem der Zug fährt, das Auto nehmen muss“, meint denn der Ascher Bürgermeister, nachdem er im Porzellanikon eingetroffen ist. „Hunderte konnten nicht mitfahren.“ Doch Blažek kann dem auch etwas Positives abgewinnen und weist die Bahnlinien-Gegner in ihre Schranken: „Das ist die beste Antwort auf die Frage, ob der Zug zwischen Eger und Hof einen Sinn hat.“ Auch OB Pötzsch hält es für ein „schönes Signal“, wenn sich so viele Menschen aufgemacht haben, diesen Tag zu feiern. 70 Jahre lang habe es keine Verbindung zwischen den beiden Städten auf der Schiene gegeben. „Das ist ein kleiner Lückenschluss mit großer Bedeutung.“ Es wäre fatal gewesen, dieses Vorhaben nicht zu realisieren.

Als sich die Arbeitsgruppe – „wir hatten unheimlich viele Treffen“ – im vergangenen Jahr das Ziel gesetzt hatte, die Strecke Ende 2015 freizugeben, „waren wir nicht wirklich überzeugt davon“, gibt Ulrich Pötzsch bei seiner Rede im Porzellanikon zu. Umso wundervoller sei es, dass es letztlich funktioniert hat. Auch Kollege Blažek erinnert in Selb daran, dass es Momente gegeben habe, in denen man nicht mehr an die Verwirklichung des grenzüberschreitenden Projekts geglaubt habe. „Aber die Bürger haben sich stets im rechten Moment engagiert, auch wenn dies nicht immer vom Rathaus aus unterstützt worden ist“, meint er – ohne es auszusprechen – wohl mit Seitenhieb auf Pötzsch-Vorgänger Wolfgang Kreil.

Immer wieder trudeln ganze Züge voller Bahnfreunde aus Asch oder Eger ein, die es ebenfalls genießen, sich einmal ohne Auto auf ins Nachbarland zu machen. Etliche von ihnen besuchen die Wanderausstellung zum 150. Jubiläum der Bahnlinie Hof-Eger, die der Förderverein „Bahnhof Oberkotzau“ mit finanzieller Unterstützung durch EU-Mittel der Euregio Egrensis realisiert hat.