Tröstau Tapfere Lina strotzt vor Lebensfreude

Lina mit Mama Kathrin Bruckner vor ihrem Lebensmotto, das sie sich selbst für die Wand ihres Jugendzimmers ausgesucht hat. Foto: Peggy Biczysko

Die Elfjährige ist seit ihrer Geburt 15-mal operiert worden. Sie leidet unter Arthrogryposis multiplex congenita. Die Gelenksteife schränkt sie beim Laufen und Sitzen ein.

 
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Tröstau - "Ihr lacht über mich, weil ich anders bin. Ich lache über euch, weil ihr alle gleich seid." Das Zitat von Kurt Cobain prangt an der Wand über dem Bett von Lina. Und es rührt einen zu Tränen. Denn Lina ist erst elf. Und doch weiß sie, dass sie nicht so ist wie die anderen. Seit sie zur Welt kam, leidet sie unter Arthrogryposis multiplex congenita. Ein Leben mit Gelenksteife, das sie und ihre Familie täglich enorm fordert. Und doch ist aus dem Mädchen mittlerweile eine äußerst selbstbewusste junge Dame geworden.

Zum letzten Mal hat die Frankenpost Lina besucht, als sie in ihrem Wohnort Tröstau in die Schule gekommen ist. Mittlerweile besucht die Kleine, die seit ihrer Geburt 15-mal operiert worden ist, die Sigmund-Wann-Realschule in Wunsiedel, wohin sie täglich mit dem Taxi gebracht wird. Sitzen, Laufen - alles, was für andere Kinder ganz normal ist, ist für Lina beschwerlich. Wegen ihrer Gelenksteife ist sie im Februar erneut operiert worden, diesmal am Knie. "Laufen darf ich momentan gar nicht. Im muss sechs Wochen in meinem Rollstuhl bleiben."

Für Mama Kathrin Bruckner ist das kein Zuckerschlecken. "38 Kilogramm muss man erstmal durch die Gegend schleppen", sagt sie - und lacht. Trübsal blasen sie nicht, die beiden, die kräftige Unterstützung von Lebenspartner Adrian Pickert bekommen, von Linas Papa Daniel, dessen Eltern und auch ihren Eltern. Dankbar ist Kathrin Bruckner auch für die große Hilfe, die ihr vonseiten der Realschule zuteil wird. "Sonst würde das alles nicht funktionieren."

"Mama, darf ich jetzt auch mal was sagen?" Höflich, aber bestimmt weist die Elfjährige daraufhin, dass sie mittlerweile für sich selbst reden kann. "Meistens werde ich in den Ferien operiert", erzählt sie. Diesmal habe sich das aber wegen der schlechten Wundheilung länger hingezogen. Seit September hat Lina schon 25 Fehltage wegen Operationen. Doch die Kleine aus Tröstau büffelt eifrig und hat außer zwei Dreiern nur Zweier und Einser im Zeugnis. "Meine beste Freundin Sahra hat alle Hausaufgaben und Arbeiten für mich gesammelt und mir sehr geholfen", strahlt der "absolute Fan von Sängerin Lina Larissa Strahl". Von ihr hängen Poster im Zimmer der Elfjährigen, und sie hat natürlich etliche CDs von ihr. "Ein Konzert von meiner Namensschwester zu besuchen, wäre das größte für mich", blickt sie flehend zu Mama Kathrin.

Linas Lieblingsfach in der Schule ist Sport. "Auch wenn ich nicht alles mitmachen kann." Eine Betreuerin hat sie da stets an ihrer Seite. "Auch wenn ich zur Toilette muss. Das ist mit steifen Beinen gar nicht so einfach", erklärt sie. Aber immer mit einem lieben Lächeln im Gesicht. "Schau mal, wie ich aus dem Glas trinken kann", fordert sie vollste Aufmerksamkeit. Geschickt balanciert sie ihr Getränk mit den leicht verdrehten Händen zum Mund. "Eigentlich kann ich mit den Händen alles machen", versichert sie. So gehört auch textiles Gestalten zu ihren bevorzugten Fächern. Und Musik.

Im großen Wohnraum steht Linas Klavier. Zu der Anschaffung musste sich Kathrin Bruckner erst durchringen. "Ich muss alles immer nur machen. Aber das, was ich will, darf ich nicht machen", hat ihr die Tochter geflüstert. Wie konnte Mama da widerstehen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen? "Das macht mir riesigen Spaß", erzählt die Elfjährige freudestrahlend. "Siehst du, wie ich die Finger bewegen kann?" Sie klimpert begeistert vor sich hin. "In der Fichtelgebirgshalle durfte ich sogar ein Konzert eröffnen. Da war ich ganz schön aufgeregt." Ein Auftritt bei "Voice Kids" wäre auch so ganz nach ihrem Geschmack, sagt sie munter.

"Mit Operationen ist jetzt erst einmal Schluss", schiebt Lina gleich hinterher, denn sie will wieder Spaß haben, mit ihren Freundinnen draußen toben - auch wenn das nur eingeschränkt geht. Ihre Mutter weiß aber, dass da noch eine ganz große OP aussteht. Doch das schiebt sie gerne vor sich her. "Da müssen wir uns entscheiden, ob Lina laufen oder sitzen soll." Denn das Mädchen hat keine Hüftbeugung. "Ich setze auf den Fortschritt der Medizin", blickt Kathrin Bruckner hoffnungsvoll nach vorn. "Denn wir wollen nicht schon wieder Versuchskarnickel spielen." Vielleicht gebe es ja irgendwann eine Möglichkeit, dass Lina beides kann: Laufen und Sitzen.

Bis es so weit ist, hält die Elfjährige tapfer ihre Schmerzen aus, "die ich immer bei Bewegung habe". Auf den Zuschlag, den sie in der Schule fürs Schreiben bekommt, verzichtet sie. "Ich bin ja schnell. Und wenn ich was nicht weiß, weiß ich es eben nicht. Da nützt mir die längere Zeit auch nichts", sagt sie - und lacht.

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