Wirsberg Ein Paradies für kleine Hobby-Bauern

Werner Reißaus

Weiderinder, Hofladen, Metzgerei, Partyservice: Der landwirtschaftliche Betrieb der Familie Purucker in Wirsberg hat viele Standbeine. Das jüngste ist ein Erlebnis-Bauernhof.

 
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Wirsberg - Das soll der Großfamilie Purucker erstmal einer nachmachen: Aus einem kleinen Bauernhof mitten im Kurort Wirsberg im Bereich der "Insel" hat sie im Lauf der Jahre einen stattlichen Betrieb entwickelt mit einer Hofmetzgerei, einem Hofladen, und Weiderinderhaltung in der "Au". Jüngstes "Kind" ist nun der Erlebnis-Bauernhof, der vom Mitmachen lebt und außerordentlich gut besucht ist. Eine Vorzeigefamlie sind Puruckers auch deshalb, weil inzwischen die Kinder und Enkelkinder von Rudolf (71) und Traudl Purucker (69) die Aufbauarbeit ihrer Eltern und Großeltern mit großer Leidenschaft fortführen. Und sie bringen neue Ideen ein wie beispielsweise Tochter Martina, die sich ein Jahr lang zur Erlebnis-Bäuerin ausbilden hat lassen.Das Geheimnis des Erfolges ist schnell auf einen Nenner gebracht: Die Puruckers halten zusammen. Auf das "Stammpersonal" mit Traudl Purucker, Sohn Thomas und Tochter Martina ist Verlass.

Ein eingeschworenes Familien-Team: Die gute Seele des Betriebes ist aber nach wie vor Traudl Purucker, die eigentlich "nur" mit der Heirat in den Betrieb gekommen ist, aber von Anfang an das Zepter in die Hand nahm. Heute ist sie auf ihre vier Kinder sehr stolz, die bis auf eine Ausnahme alle im Betrieb mithelfen und wenn es sein muss auch schon wieder bei ihren Kindern das Interesse an der keinesfalls leichten Arbeit auf einem Bauernhof geweckt haben: "Es ist ja nicht überall der Fall, dass die Kinder mitmachen. Die Erfahrung hat mir aber gezeigt, man darf niemanden dazu zwingen, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. Wir haben auch unseren Thomas nie dazu angehalten, Bauer zu werden. Er kam eines Tages selber zu uns und sagte, er will die Landwirtschaft betreiben." Was Traudl Purucker an ihrem Sohn besonders schätzt, sind seine handwerklichen Fähigkeiten. Alle Gebäude wurden gemeinsam mit weiteren Familienangehörigen in Eigenleistung errichtet.

Erdbeeren statt Urlaubsgäste aus Berlin: Aus kleinsten Anfängen heraus hat sich aus einer ursprünglichen Weberei ein landwirtschaftlicher Betrieb an der "Insel" entwickelt. Den Anfang machte Großvater Georg Purucker, der den letzten Zuchtstier Wirsbergs hielt, ehe Rudolf und Traudl Purucker den Betrieb zunächst im Nebenerwerb weiterführten und nach und nach ausbauten. Nebenbei hatten sie noch eine Pension mit Fremdenzimmern. Doch als die Wende kam und die Berliner Gäste ausblieben, entschieden sich die Puruckers, auf einem zweieinhalb Hektar großen landwirtschaftlichen Grundstück in der "Au" eine Erdbeerplantage anzulegen. Tochter Martina Pietsch: "Das mit den Erdbeeren ging zehn Jahre richtig gut, aber wir waren zu klein, um dafür eine Beregnungsanlage anzuschaffen, und zu groß, um die Erdbeerpflanzen mit der Hand zu gießen." Was hinzukam: Die Pflanzen erforderten einen hohen Arbeitseinsatz.

Vom Kfz-Mechaniker zurück zur Landwirtschaft: Sohn Thomas, der den Betrieb seit 2017 als Inhaber führt, erlernte zunächst den Beruf des Kfz-Mechanikers, doch irgendwann merkte er, dass es ihn mehr zur Landwirtschaft hinzieht. Und so entschloss er sich, seinen erlernten Beruf an den Nagel zu hängen. Mit fünf Mutterkühen fing Thomas Purucker auf dem Gelände in der "Au" an, heute werden dort rund 80 Weiderinder gehalten. Die Entscheidung, die Hofstelle an der "Insel" ganz aufzugeben und die gesamte Viehhaltung in die "Au" zu verlagern, war dann im Familienrat sehr schnell getroffen, zumal ein Großbrand im August 2005 die gesamten Stallungen vernichtet hatte. Von dem Zeitpunkt an wurde der Betrieb in der "Au" ständig erweitert. Und heute ist für die Familie Purucker klar: Die Entscheidung war richtig. Anstelle der Ställe wurden an der "Insel" Garagen und eine Werkstatt geschaffen.

Mit der Metzgerei kam der Hofladen: Thomas Purucker erkannte aber auch, dass die Viehhaltung allein nicht so gewinnbringend ist wie es für einen Betrieb dieser Größe erforderlich wäre. Er entschied sich für eine Ausbildung zum Hausmetzger bis hin zum Meisterbrief. Während seiner einjährigen Ausbildung musste die Familie erneut zusammenhelfen, um seine Arbeitskraft auf dem Hof und in der Viehhaltung zu ersetzen. Dann waren die Hofmetzgerei und der Hofladen an der "Insel" geboren - ein wichtiges Standbein für den Betrieb. Im gleichen Maße expandierte auch der landwirtschaftliche Betrieb mit inzwischen über 80 Hektar Nutzfläche.

Von Eierlikör bis Sauerbraten: Im Dorf- und Hofladen werden hausgemachte Spezialitäten und regionale Delikatessen angeboten. Vorwiegend natürlich Fleisch- und Wurstwaren sowie Marmeladen, Beerenweine und Eierlikör aus eigener Herstellung. Daneben aber auch Käse, Nudeln, Honig und weitere Köstlichkeiten aus heimischen Produkten. Inzwischen ist die Hofmetzgerei aber auch für ihren prompten Partyservice und ihre gute Küche bekannt. Dabei begann dies eher zufällig, als ein Wirsberger, der seinen 50. Geburtstag feiern wollte, anfragte, ob die Hofmetzgerei für ihn und seine Gäste ein Geburtstagsessen liefern könne. Es klappte auf Anhieb, den Geburtstagsgästen schmeckten die Braten vorzüglich. Diese Gastlichkeit genießen zahlreiche Besucher auch bei dem alljährlichen Hoffest, das aber in diesem Jahr coronabedingt ausfallen musste. Was in der Hofmetzgerei und Hofladen besonders gut geht, das sind während der Woche - mit Ausnahme am Montag - die Fertiggerichte wie Schweine- und Sauerbraten oder Schaschlik.

Heidelbeer-Ernte geht zu Ende: Inzwischen werden auf dem Hof auch Heidelbeeren angeboten. In diesen Tagen geht die Ernte zu Ende bei der vor allem die Jüngsten der Großfamilie Purucker eingesetzt werden. Ob sie wollen oder nicht, wie Martina Pietsch scherzhaft feststellt.

Eine weitere einträgliche Nische ist der Erlebnis-Bauernhof mit dem Ziel, schon die Jüngsten durch die Erlebnispädagogik zum bewussten Denken und Handeln anzuregen. Gemeinsam sollen sie erfahren, wie gesunde Lebensmittel entstehen, wie man sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgeht, gesünder zu leben und für die Natur und die Tierwelt Verantwortung zu übernehmen kann. Die Vision dazu hatte Traudl Purucker. Sie hatte es kaum ausgesprochen, entschloss sich ihre Tochter Martina, eine Ausbildung zur Erlebnis-Bäuerin zu beginnen.

Kinder lernen heimische Lebensmittel schätzen: Es ist eine pädagogisch wertvolle Arbeit, denn die Schüler erleben bei den Puruckers auf dem Hof, wie nachhaltige Landwirtschaft in bäuerlicher Hand Lebensmittel herstellt und verarbeitet. Gleichzeitig erhalten die Kinder besonders Einblicke in Umweltfragen, tiergerechte Haltung und gesunde Ernährung. Der Bauernhof ist ein idealer Ort, um mit allen Sinnen zu lernen und aktiv zu sein. Schüler erleben die Produktion der Lebensmittel und können Landwirtschaft, Natur und Umwelt besser begreifen. Das Programm "Erlebnis Bauernhof" trägt auch dazu bei, ein realistischeres Bild der nachhaltigen bäuerlichen Arbeit im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Angeboten werden auf dem Erlebnis-Bauernhof neben einem Ferienprogramm auch Kindergeburtstagsfeiern.

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