Kulmbach Ein multifunktionales Gebäude

Erich, Marcus Olbrich

Das Vereinshaus am Kulmbacher Marktplatz hat eine wechselvolle Geschichte. Die Darstellungen in den Nischen erinnern an frühere Nutzungen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Kulmbach - Als das Vereinshaus noch nicht stand, litt Kulmbachs gesellschaftliches Leben, denn die Stadt hatte für größere Veranstaltungen keinen annehmbaren Saal aufzuweisen. Wohl gab es den Kornhaussaal, den Hirschen-Saal und den Michel’schen Saal im Grünwehr, doch entsprachen diese Räume in keiner Weise den damaligen Anforderungen.

Das Gebäude am Platz des heute immer noch so bezeichneten Vereinshauses, erfüllte im Laufe der Zeit viele Funktionen, so zum Beispiel als Kaufhaus, wie es wörtlich im Land-Buch von 1398 genannt wird, womit die Kaufläden der Bäcker, Krämer, Tuchscherer und Geldwechsler gemeint sind, die hier auf leichte Weise zur Zollerhebung kontrollierbar waren.

Auch als Rathaus wurde das Gebäude genutzt, für die Amtsräume des Stadtvogtes und des Kastners und auch als Gerichtssäle, wobei dann die zu größerer Selbstständigkeit gekommenen Bürger nebenan ein Rathaus, "aus eigenem Beutel" bauten. Die oberen Böden des Vereinshauses wurden auch als Getreidespeicher zur Lagerung des gelieferten Getreidezehnten und als Salzdepot genutzt. Im Saal des ersten Stocks könnten Zusammenkünfte und Hochzeiten stattgefunden haben.

Die Bevölkerung begrüßte es, dass im Winter 1882/83 der Kunstmühlenbesitzer Hermann Limmer als Vorsitzender des damaligen Gewerbe- und Vorschussvereins die Saalbauangelegenheit in die Hand nahm. Hatte es doch lange gedauert, bis sich die einstige Markgrafenstadt Kulmbach von dem Wegzug der markgräflichen Regierung im Jahre 1604 erholt hatte. Erst 1846, durch den Gleisanschluss an die Ludwig- Nord- Süd Bahn, wandelte sich die verträumte Stadt stürmisch zu einem Industriestandort.

Tüchtige Fabrikanten, Arbeiter und Handwerker schufen den Ruf einer gewerbefleißigen Gründerzeitstadt. In der Bürgerschaft entwickelte sich über längere Zeit der Wunsch nach Unterhaltung, Repräsentation und Bildung. So gab der rechtskundige Bürgermeister Carl Rosenkrantz die Empfehlung, den Platz des alten Kornhauses unentgeltlich abzugeben, mit der Verpflichtung, dass dort ein moderner Saalbau zu errichten sei.

Von 47 Architekten aus ganz Deutschland wurden Pläne eingereicht. Der erste Preis ging nach Frankfurt/Main, aber er gefiel den Kulmbachern nicht. Man beauftragte daher den von der Stadt angestellten Architekten und Zeichenlehrer Adolf Hecker, einen neuen Plan zu fertigen. Dieser entsprach den Wünschen des Baukomitees. Die Gestaltung der Fassade, die dem Bau einen besonderen Glanz verleihen sollte, übertrug man einem bekannten Münchner Architekten, August Thiersch. Dieser entwarf auch die unmittelbar am Tegernsee gelegene "Serbenvilla" für den serbischen Fürsten Theodorowitsch.

Nach einer Rekordbauzeit von nur zwölf Monaten, erfolgte am 28. Juli 1884 die Einweihung. Die Baukosten beliefen sich auf 90 326 Mark. Das Gesellschaftsleben in Kulmbach erfuhr eine neue Blüte. Große Maskenbälle, Theateraufführungen und Vereinsversammlungen wurden veranstaltet. Neben dem Saal waren im Haus die Räume des Gewerbevereins und im Erdgeschoss das Depot der Feuerwehr untergebracht.

Aus Platzmangel verlegte der Gewerbeverein 1901 seine Räume an den Holzmarkt. Heute befindet sich dort die VR-Bank Oberfranken-Mitte. Die Stadt kaufte das Gebäude für 72 000 Mark. In freien Räumen wurde die Stadtkämmerei mit der angegliederten Sparkasse untergebracht. Am 13. November 1904 verlegte man die Gerätschaften der Feuerwehr in den Neubau in der Buchbindergasse.

Die beengten Verhältnisse und Notausgänge des Saalbaus von 1884 wurden immer wieder beanstandet, sodass 1911 der Anbau zur Spitalgasse hin mit einer geräumigen, gut begehbaren Steintreppe erfolgte. Zeitgleich wurden auch die sanitären Anlagen in dem Gebäude saniert. Vom August 1914 bis zur Beendigung des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918, diente das Vereinshaus als Lazarett. Die Instandsetzung danach bedurfte erheblicher Finanzmittel. Die Sparkasse zog 1935 vom Holzmarkt in das neue Gebäude in der Buchbindergasse um. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Fassade und die Innengestaltung des Vereinshauses so komplett verändert, dass die Kulmbacher es abfällig als "einen geschmacklosen Bau" bezeichneten. Die Nischen und mehrere Fenster wurden zugemauert. Auch das schöne Stadtwappen wurde entfernt. Nach der Einweihung der Stadthalle in der Sutte im Dezember 1988 verfiel das Vereinshaus in einen Dornröschenschlaf.

Der dauerte an, bis die Sparkasse Kulmbach unter der Führung der Vorstände Max Schreiner, Dieter Seehofer und Stefan Erbacher das Vereinshaus als "Sparkassenhaus" einer neuen Verwendung zuführte. Am 4. November1994 konnte ein repräsentatives, den Marktplatz prägendes Gebäude, eingeweiht werden. Besonders gelungen war, dass die historische klassizistische Gründerzeitfassade erneut erstrahlte. Zusammen mit dem wieder aufgestellten Luitpoldbrunnen bildet sie ein Schmuckstück des Marktplatzes.

Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurden wertvolle Fassadenverzierungen freigelegt. In diese sind verschiedene Symbole eingearbeitet, die auf die zu Anfang beschriebenen Nutzungen hinweisen. Auf der Rathausseite befindet sich das eindrucksvollste Motiv. Es zeigt eine filigrane Sandsteinarbeit mit Seilen, Schläuchen, Feuerwehrhelm und Gerätschaften der Feuerwehr. Eine gelungene Arbeit als Denkmal für die Freiwillige Feuerwehr, die früher im Erdgeschoss untergebracht war.

An der Marktplatzseite wurden zwei Nischen gefunden. In der vom Betrachter aus linken Nische, sind Landwirtschaftliche Geräte wie Dreschflegel, Sense, Schaufel, Rechen, Früchte und Ähren zu sehen, was an das frühere Kornhaus erinnert. In der rechten Nische zeigen sich mit Schere, Feile, Schuh, Hammer, Schraubstock und Axt typische Handwerkssymbole. Auf der Seite zur Spitalgasse fand sich im Giebel ein altes Relief, das freigelegt wurde.

Mittlerweile hat die Sparkasse das Vereinshaus wieder verlassen. Das Erdgeschoss wird von der Stadtverwaltung genutzt. Im ersten Stock residiert das Kulmbacher Notariat und im zweiten Stock ist eine HNO-Praxis.

Bilder