„Ein ungutes Gefühl bleibt bestehen“
Noch sichtlich betroffen von dem Geschehen am Samstag ist Oberbürgermeister Oliver Weigel. „Natürlich bin ich am Samstag mit gemischten Gefühlen ins Bett gegangen. So lange der oder die Täter nicht gefasst sind, wird das so bleiben“, sagte er am Sonntag im Gespräch mit der Frankenpost. Es sei selbstverständlich für ihn gewesen, sofort zum Brandort zu kommen, „um zumindest einen kleinen Beitrag der Hilfe zu leisten“. Er lobte aber vor allem die Hilfskräfte. „Ich habe vor deren Leistung höchsten Respekt. Alle arbeiten super professionell.“ Als er im Laufe des Einsatzes mitbekommen habe, dass es an mehreren Stellen brenne und es den Anschein habe, jemand wolle die ganze Stadt abbrennen, habe er ein ungutes Gefühl gehabt. „Es war eine unwirkliche Situation. Derartige Dimensionen kennt man nicht.“
Besonders dramatisch entwickelte sich das Geschehen, da innerhalb kurzer Zeit bei der Integrierten Leitstelle Notrufe aus dem Stadtgebiet eingingen. „Wir waren natürlich mit allen zur Verfügung stehenden Kräften bei dem komplizierten Brandgeschehen in der Wegenerstraße gebunden“, sagt Wieland Schletz. Die Einsatzleitung habe daher Feuerwehren aus der Region zum Löschen nach Marktredwitz beordert.
Mittlerweile ist klar, dass es am Samstagmorgen zu neun Brandstiftungen in Privatanwesen und Unternehmen im nordwestlichen Stadtgebiet gekommen ist:
- In der Wegenerstraße brannte ein Mittelhaus in einem aus fünf Häusern bestehenden Reihenhauskomplex komplett nieder. Der Täter hatte Gartenmöbel, Polster und andere Gegenstände auf der Terrasse angezündet. Die Flammen griffen dann auf das Haus über.
- Bei einem weiteren Reihenhaus in der Adam-Krafft-Straße zündeten der oder die Brandstifter einen Teppich auf der Terrasse mit einem Brandbeschleuniger an. Dadurch wurden eine Markise, ein Sonnenschirm und andere Gegenstände auf der Terrasse zerstört. Der Holzbalkon und die Fassade sind ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden. Die in dem Haus wohnende junge Familie mit drei Kindern hatte Glück im Unglück, dass die Flammen nicht ins Innere eindringen konnten. Die Bewohner bemerkten erst am Samstagmorgen den Schaden, der sich auf mehrere tausend Euro belaufen wird.
Horst Geißel bringt frische Kleidung
Schnelle Hilfe hat am Samstag zweiter Bürgermeister Horst Geißel geleistet. Da sich das Ehepaar des komplett abgebrannten Hauses in der Wegenerstraße mit Schlafanzügen ins Freie gerettet hatte, holte Geißel schnell größenmäßig passende Kleidung von sich und seiner Frau. Das vom Brand betroffene Ehepaar hat sämtliches Hab und Gut verloren und muss nun die Katastrophe verarbeiten.
- Im Holbeinweg brannte bei einem Einfamilienhaus die Eingangstür. Hier griffen die Flammen glücklicherweise nicht auf andere Gegenstände oder das Haus über.
- Ebenfalls im Holbeinweg meldeten Zeugen, dass im Eingangsbereich eines Hauses ein Besen und mehrere Zeitungen angezündet worden waren.
- In der Veit-Stoß-Straße haben der oder die Täter versucht, einen BMW abzufackeln. Sie zündeten die Plane an, mit der das Auto abgedeckt war. Das Feuer beschädigte zwar den Lack des Wagens, erlosch dann aber offenbar von selbst.
- Im Garten eines Hauses im Johannes-Brahms-Weg haben Unbekannte ebenfalls versucht, Plastikgegenstände und ein Gartenhaus mit Brandbeschleuniger zu entzünden. Auch hier griffen die Flammen nicht auf das Haus über. Dieser Vorfall ist der Polizei erst am Nachmittag gemeldet worden.
Kommentar: Auf die Hilfsdienste ist Verlass
Wenn es darauf ankommt, halten die Menschen in der Region zusammen. Das hat sich bei der Brandkatastrophe am Samstag eindrucksvoll gezeigt. So tragisch das Geschehen war, so tröstlich ist zumindest, dass sich die Bürger auf ihre Hilfsdienste absolut verlassen können. Egal ob Feuerwehr, Technisches Hilfswerk oder Rotes Kreuz, alle leisteten bei dem gefährlichen Einsatz Großes. Hier zeigt sich, dass jeder Cent, der in die Ausstattung der Helfer investiert wird, bestens angelegt ist. Und auch Grenzen trennen die Menschen in der Region im Ernstfall nicht mehr. So waren die Feuerwehrkollegen aus Karlsbad schnell zur Stelle, um ihre große Drehleiter bei den Löscharbeiten zur Verfügung zu stellen. All das zeigt, dass ein Feuerteufel zwar auf abscheuliche Art mit dem Leben von Menschen spielen kann, sich aber letztlich immer die Menschlichkeit durchsetzen wird. Matthias Bäumler
- In der Bayreuther Straße beim Cube-Store Marktredwitz brannten mehrere Paletten. Bei der Firma Rauch in der Thölauer Straße setzte der Täter ebenfalls Paletten in Brand und bei einer ehemaligen Schlosserei im Walkmühlweg brannte ein Papiercontainer. Die Feuerwehren hatten die Brände schnell unter Kontrolle, sodass keine größeren Schäden entstanden sind.
Ob ein Zusammenhang zwischen den Bränden besteht, ist laut Polizei zwar nicht gesichert, allerdings ist es extrem ungewöhnlich, dass es in einer Stadt binnen Stunden zu so vielen Bränden kommt. Die Polizei vermutet, dass auch zwei zerstochene Moped-Reifen in der Pachelbelstraße und im Johannes-Brahms-Weg den Brandstifern zuzurechnen sind. Beide Sachbeschädigungen ereigneten sich in der Nacht zum Samstag.
Eingebunden in den Rettungseinsatz waren 213 Feuerwehrleute, 28 vom Roten Kreuz und 14 vom Technischen Hilfswerk. Da die Wunsiedler Feuerwehr inklusive der Aktiven aus den Ortsteilen samt Drehleiter in Marktredwitz half, musste auch die Sicherheit in Wunsiedel organisiert werden. „Daher hat die Feuerwehr Röslau in Wunsiedel Quartier bezogen und das Stadtgebiet sowie die angrenzende B 303 gesichert.“ Auf das Gebiet in der Gemeinde Röslau hingegen hatte am Samstag die Feuerwehr in Marktleuten ein Auge.
Vor allem der Brand des Reihenmittelhauses stellte die Feuerwehr und die weiteren Hilfsdienste vor enorme Herausforderungen. „Normalerweise fahren wir mit unserer Drehleiter an den Einsatzort, decken das Haus ab und löschen von oben“, sagt Schletz. Da die Feuerwehr allerdings auf der Rückseite nicht nahe genug an das Haus herankam, reichte die 30 Meter lange Drehleiter der Marktredwitzer Feuerwehr nicht aus. Daher rückten die Kollegen aus dem tschechischen Karlsbad mit einer 42 Meter langen Drehleiter an. „Dank der Abkommen, die die grenzüberschreitenden Hilfen regeln, sind derartige Einsätze heute problemlos möglich“, sagte Schletz.
Seit kurz nach 5 Uhr am Morgen war auch der nur wenige hundert Meter von der Wegenerstraße entfernt wohnende Oberbürgermeister Oliver Weigel am Brandort, um sich um die Unterbringung der vom Brand betroffenen Anwohner zu kümmern. Er organisierte Hilfe für das Ehepaar des ausgebrannten Hauses und dem nebenan wohnenden, dessen Haus verraucht und beschädigt wurde. Die Ehepaare werden zunächst in einem Hotel untergebracht und von einem Einkaufsmarkt mit Kleidung ausgestattet.
Die Polizei beziffert den bei den Bränden entstandenen Schaden auf eine höhere sechsstellige Summe.
Das Technische Hilfswerk Marktredwitz baute ein Einsatzschnellgerüst an der Hauswand auf, damit die Feuerwehr in die oberen Stockwerke kam. „Da der Brand extrem heftig war, musste alles schnell gehen. Die 30 eingesetzten Atemschutzträger durchsuchten jeden einzelnen Raum nach möglichen Verletzten“, sagt Schletz.
Bis in den Nachmittag hinein waren die Feuerwehren in der Wegenerstraße gefordert, um die immer wieder auflodernden Flammen zu löschen. Wie Stadtbrandinspektor Maximilian Seiler sagte, der die Löscharbeiten koordinierte, war der Einsatz gegen 15.30 Uhr beendet. Auf Bitten der Feuerwehr sicherte das THW den Dachstuhl und verschloss das Dach mit Brettern.
Die Familie, deren Terrasse samt mehreren Geräten in der Adam-Krafft-Straße verkohlt wurden, wollte hier eigentlich am Sonntag Kindergeburtstag feiern. Der Vermieter zeigte Herz und stellte im Garten der Familie kurzerhand ein Zelt auf und brachte einen Kuchen vorbei. So konnte zumindest die Tochter ihren Geburtstag tatsächlich noch feiern.
Entgegen in Marktredwitz kursierenden Gerüchten hatte die Polizei bis Sonntagabend noch keinen Verdächtigen festgenommen.
Hinweise zu den Brandfällen am Samstag erbittet die Kriminalpolizei unter der Telefonnummer 09281/7040.