Geschlechtergerechte Sprache Wer steht wie zum Gendern?

Florian Gann

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich am Freitag gegen den Gender-Stern ausgesprochen. Manche Politiker oder Vereine würden die geschlechtergerechte Sprache sogar gerne verbieten.

 
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Viele Firmen und Organisationen gendern in ihrer Kommunikation. Foto: dpa/Lars Penning

Gendern ist ein Thema, das wahlweise polarisiert – oder den Menschen egal ist. In einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov von März 2023 stuften unter den 3500 Befragten in Deutschland 69 Prozent das Gendern als unwichtig ein. 23 Prozent hielten es für wichtig. Etwas abgeschwächt zeigte sich dieses Ergebnis auch in einer Erhebung von Infratest dimap Anfang dieses Jahres: 62 Prozent lehnten das Gendern eher ab, 36 Prozent waren eher dafür. Am höchsten war demnach die Zustimmung in der jüngsten Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren. Hier empfanden 43 Prozent der Befragten als sehr oder etwas wichtig.

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Ist von Gendern die Rede, bedeutet das nicht automatisch, dass es um Sternchen oder Unterstriche geht. Sowohl die Beidnennung (Lehrerinnen und Lehrer), die Neutralform (Lehrende) als auch die Sonderzeichen (Lehrer*innen, Lehrer_innen oder Lehrer:innen) zählen zu den Formen des Genderns. Letztere Form unterscheidet sich insofern, als die Sonderzeichen für alle stehen soll, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht eindeutig zuordnen.

Sonderzeichen haben es schwer

Auch verschiedene Verbände, Medien und Organisationen haben sich Gedanken zum Gendern gemacht. Es geht dabei um Verständlichkeit, Barrierefreiheit, aber auch um Gleichstellung. Vereinfacht könnte man sagen: Sonderzeichen haben es schwer, Beidnennung ist weit verbreitet und anerkannt. Die Details im Überblick.

Rat für deutsche Rechtschreibung: Der Rat ist die maßgebliche Instanz in Fragen deutscher Rechtschreibung. Er besteht aus Mitgliedern verschiedener Länder. Neben Deutschland, Österreich und der Schweiz sind auch Liechtenstein, Südtirol und die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens dabei. Er hat sich am Freitag dazu entschieden, dass Sonderzeichen (also etwa Lehrer*innen) weiter keine regulären Sprachzeichen im Deutschen sind und nicht ins sogenannte Amtliche Regelwerk aufgenommen werden sollen. Auch 2018 und 2021 hatte man sich schon dagegen entschieden. „Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie. (...) Ihre Setzung kann in verschiedenen Fällen zu grammatischen Folgeproblemen führen, die noch nicht geklärt sind“, soll es im Regelwerk künftig heißen. Der Rat spricht sich aber prinzipiell für geschlechtersensible Sprache aus, nur eben ohne Sonderzeichen.

Der Duden: Im Online-Portal des Wörterbuchs, ebenso von vielen als Instanz der deutschen Sprache gesehen, heißt es: „Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren.“ Der Duden zählt verschiedene Varianten für geschlechtersensible Sprache auf, auch mit Sonderzeichen – Schüler*innen, Schüler_innen, Schüler:innen – weißt aber darauf hin, dass diese nicht vom amtlichen Regelwerk abgedeckt sind.

Für Aufregung sorgte der Online-Duden Anfang 2021. Bis dahin war ein Mieter „jemand, der etwas gemietet hat“, galt also für beide Geschlechter. Danach gab es separate Einträge für Mieter („männliche Person, die etwas gemietet hat“) und Mieterin („weibliche Person, die etwas gemietet hat“). Darin sahen Kritiker eine Abschaffung des generischen Maskulinums, beim Duden sah man eine Aufwertung der weiblichen Form.

Verein Deutsche Sprache: Der Verein macht immer wieder gegen das Gendern mobil: aktuell mit der Unterschriftenaktion „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“, zuvor mit einer Initiative unter dem Titel „Schluss mit Gender-Unfug“. In den Leitlinien des Vereins heißt es, Gendern sei eine „lebensbedrohende Attacke für die deutsche Sprache“. Einigen geht diese Art der Kritik zu weit, die Sprache des Vereins sei mitunter rechtspopulistisch, sagte etwa die Autorin Kirsten Boie dem Deutschlandfunk.

Blinden- und Sehbehindertenverband: Bei diesem Verband stoßen Sonderzeichen vor allem aufgrund von Bedenken zur Barrierefreiheit auf Kritik. Etwa, weil ein Sternchen oder Unterstrich beim Vorlesen durch andere Menschen unterschiedlich gehandhabt werde – aus Leser*in wird etwa wahlweise Leser oder Leserin. Das sorge für Unklarheit. Auch Computersysteme, die Texte automatisch vorlesen, gingen laut dem Verband unterschiedlich mit den Sonderzeichen um – was sehbeeinträchtigte Menschen vor Probleme stelle. Der Verband spricht sich deswegen für Beidnennung (Leserinnen und Leser) oder die Neutralform (Lesende) aus.

Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT): Eine Befragung unter Selbstvertretungen von Menschen mit Behinderung habe eine Bevorzugung des Asterisk – also des Sternchens – beim Gendern ergeben, heißt es in einer Empfehlung der BFIT. „In der Befragung wurde deutlich, dass gendergerechte Sprache im Zusammenhang mit einer Schärfung der gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung und der Achtung der Rechte von Menschen mit Behinderungen steht“, heißt es dort.

Medien: Viele Medien plädieren in internen Leitfäden für geschlechtergerechte Sprache durch Beidnennung oder Verwendung des Neutrums. Eine Verpflichtung, das zu tun, gibt es in der Regel nicht. Sonderzeichen wie das Sternchen kommen eher in Ausnahmefällen vor, etwa bei Formaten für jüngeres Publikum. Vereinzelt sprechen Moderatorinnen und Moderatoren des ARD und ZDF den sogenannten Glottisschlag, also die kurze Pause, die für den Gender-Stern stehen soll.

Verbote und Pflichten zum Gendern: Aktuell gibt es auf Bundes- und Landesebene weder ein Verbot noch ein Gebot zum Gendern. Die FDP in Baden-Württemberg reichte im Landtag einen Vorschlag ein, Gendern in Behörden, an Schulen und Unis zu verbieten. Der Vorschlag scheiterte. Ähnliches fordert eine laufende Initiative für ein Anti-Gender-Volksbegehren, das auch von der CDU-Fraktion im Landtag unterstützt wird.

In Behörden wird das Gendern unterschiedlich gehandhabt. Der öffentliche Dienst ist zur Gleichstellung verpflichtet, einheitliche Regeln gibt es aber nicht.

Für Aufsätze und Prüfungen in Schulen gilt offiziell das „Amtliche Regelwerk für die deutsche Orthografie“, das der Rat für deutsche Rechtschreibung herausgibt. Ob Gender-Sonderzeichen als Fehler gezählt werden, bleibt den Lehrerinnen und Lehrern überlassen.