Die CSU hat jetzt einen "Zukunftsrat ländlicher Raum" ins Leben gerufen. Ein richtiger Schritt?

Ich denke, dass es eher eine Beruhigungspille ist. Wir kommen erst dann voran, wenn Taten folgen, denn Kommissionen und Papiere haben wir bereits genug. Es gibt einen ländlichen Entwicklungsplan, in dem steht, dass man den ländlichen Raum stärken will, und wir haben die Forderung nach gleichen Lebensverhältnissen in Bayern, doch getan hat sich nicht genug. Was wir seit Jahresbeginn von der Staatsregierung erlebt haben, ist eine Kriegserklärung aus München. Der Zukunftsrat, die Stimmkreisreform, das Programm Aufbruch Bayern - das ist zu viel.

Die Empörung über die Empfehlung des Zukunftsrates unter Leitung von Herbert Henzler, der vorschlägt, nur noch die großen Städte zu fördern, ist groß. Wie sehen Sie das Gutachten?

Dieses Papier ist nicht von vorn bis hinten schlecht. Es enthält auch gute Ansätze, etwa zur Kinderbetreuung. Was die Konzentration auf die Zent-ren angeht, so ist dies eine rein betriebswirtschaftliche Sichtweise. Politik muss andere Prioritäten setzen. Ich hoffe, dass Seehofer dies nicht umsetzt. Wir haben in Oberfranken viele Pluspunkte, aber es reicht nicht, damit wir zukunftsfähig werden.

Wie kann man der Region helfen?

Der Staat kann keine Firma zwingen, sich hier anzusiedeln, aber er kann die Rahmenbedingungen verbessern, damit junge Leute hier bleiben können. Beispielsweise haben wir von der SPD Oberfranken vorgeschlagen, in Marktredwitz eine Fachhochschule einzurichten. Dann fordern wir, die Infrastruktur in Sachen Bahn zu verbessern. Warum hört die Elektrifizierung der Bahnstrecke von Reichenbach in Hof auf? Warum wird sie nicht weiter nach Marktredwitz und Regensburg oder Nürnberg geplant? Die CSU hat über Minister Ramsauer, Minister Guttenberg und Staatssekretär Koschyk Einfluss in Berlin, und den sollte sie für das nordöstliche Oberfranken nutzen. Weiter fordern wir, dass bei den Schlüsselzuweisungen an die Kommunen ein demografischer Faktor eingebaut wird. Die Schlüsselzuweisungen sind an die Einwohnerzahl gekoppelt, und wenn eine Stadt wie Wunsiedel Einwohner verliert, dann bekommt sie auch weniger Schlüsselzuweisungen. Ich hoffe, dass bei der Bundeswehrreform der Standort Hof nicht zur Debatte steht. Da ist Guttenberg gefordert.

Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes hat Oberfranken von 1989 bis 2008 fast zehn Prozent seiner Bevölkerung verloren, nämlich 9,6 Prozent. Der Kreis Wunsiedel hat 21,7 Prozent seiner Bevölkerung verloren, der Kreis Hof 17,8 der Kreis Kronach 15,4. Was sehen Sie als Grund?

Der Hauptgrund ist, dass wir von der Staatsregierung zu wenig Unterstützung bekamen, vor allem nach dem Niedergang der Textil- und Porzellanindustrie. Nach der Grenzöffnung hat man in München gedacht, dass sich das nordöstliche Oberfranken von alleine positiv entwickelt. Das ist nicht geschehen. Es hätte damals sofort massive Strukturhilfen geben müssen. Ein Beispiel: Jahrelang haben viele junge Menschen hier keine Lehrstelle gefunden. Die Staatsregierung hat darauf mit einer Mobilitätshilfe geantwortet, das heißt, wenn ein Schulabgänger beispielsweise zu Audi nach Ingolstadt ging, erhielt er einen Zuschuss. Das war ein falscher Anreiz. Man hätte sehen müssen, wie man vor Ort mehr macht.

Sie haben vor einem Jahr eine Studie zur infrastrukturellen Situation in Nordostoberfranken vorgelegt, für die Sie die Gemeinden in den Kreisen Hof, Wunsiedel und Bayreuth verglichen. Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis daraus?

Dass sich die Region nach der Grenzöffnung zunächst positiv entwickelt hat, etwa vom Jahr 2000 an ist es aber dramatisch zurückgegangen. Jahrelang hörten wir Versprechungen, aber es folgte viel zu wenig. Wenn ich mir die Bevölkerungszahlen in manchen Orten ansehe, frage ich mich, ob es nicht in einigen Bereichen zu spät ist. Wenn München in zehn Jahren über 130 000 Einwohner verloren hätte, dann hätte sich die Staatsregierung benommen, als wenn die Welt untergehen würde. Aber wenn Marktredwitz oder Wunsiedel zehn Prozent der Bevölkerung verlieren, sagt man, da könne man nichts machen.

Sollte Oberfranken einen eigenen Zukunftsrat gründen?

Gremien haben wir mehr als genug und wir haben auch gute Vorschläge. Ein "Zukunftsrat ländlicher Raum" muss bei der Staatsregierung angesiedelt sein, und er muss die Chefsache von Seehofer sein. Wir brauchen einen Zehnjahresplan, wie wir benachteiligte Gebiete stärken. Auch in Niederbayern gibt es solche Regionen. Wir wollen endlich Taten sehen.

Die Fragen stellte Elfriede Schneider.

BIOGRAFISCHES

Dr. Christoph Rabenstein ist SPD-Abgeordneter im Stimmkreis Bayreuth und Sprecher der oberfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten. Von 1987 bis 1999 war er Lehrer an der Parkschule in Münchberg, damals Grund- und Teilhauptschule.