Die Gefahr, dass die Privaten die Qualität der Wasserversorgung nicht gewähren, ist nach Malys Ansicht durchaus realistisch. "Sehen Sie sich England an. Hier wurde die Wasserversorgung bereits in den 80er-Jahren privatisiert. Immer wieder gibt es dort in manchen Gegenden für ein, zwei Stunden kein Wasser." Auch in Berlin sei die Trinkwasserqualität nicht mehr so gut, wie sie vor der Privatisierung gewesen sei.
Dr. Birgit Seelbinder sieht in der EU-Initiative noch weitere Auswirkungen auf die Kommunen zukommen. So soll bei kommunalen Leistungen das Vorsteuerverfahren verändert werden. "Wenn wir zum Beispiel einem Verein eine Turnhalle vermieten, müssen wir künftig Mehrwertsteuer verlangen. Bisher war das nicht der Fall."
Die EU begründet den Vorstoß damit, dass auch Privatbetreiber die Mehrwertsteuer berechnen müssen, wenn sie Leistungen anbieten. Die Kommunen wären daher in der Konkurrenzsituation bevorzugt. "Aber", so Seelbinder, "welche Privatperson betreibt schon eine Turnhalle?" Sie, Seelbinder, befürchte, dass mit dieser Regelung auch die interkommunale Zusammenarbeit erschwert werde, wenn die Leistungen, die für eine andere Stadt erbracht werde, mehrwertsteuerpflichtig und damit teurer werde. "Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Kommunen aufgrund der demographischen Entwicklung immer mehr zu gemeinsamen Projekten gezwungen sind."
Ob die EU-Richtlinie zu den Dienstleistungskonzessionen tatsächlich umgesetzt wird, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Der Entwurf, den die EU-Kommission erarbeitet hat, muss vom EU-Parlament als Gesetz beschlossen werden. Der Bayerische Städtetag zumindest will daher verstärkt Lobbyarbeit betreiben und auf die EU-Parlamentarier einwirken. "Zumindest in Deutschland, Österreich und Teilen Italiens ist es parteiübergreifend Konsens, dass die neuen Regelungen überflüssig sind", sagt Maly. Auch die Parlamentarier der übrigen Nationen will der Städtetag überzeugen. "Wir verlangen nicht mehr, als Respekt vor unserer öffentlich-rechtlichen Struktur der Daseinsvorsorge." Die Städte und Gemeinden hätten ihre Wasserversorgung bislang hervorragend betrieben, dies solle auch so bleiben. "Schließlich handelt es sich beim Wasser nicht um ein x-beliebiges Gut, sondern um das Lebensmittel schlechthin", sagt Ulrich Maly.
Wir verlangen nicht mehr, als den Respekt vor unserer öffentlich-rechtlichen Struktur der Daseinsvorsorge. Dr. Ulrich Maly, Vorsitzender des Bayerischen Städtetages
Stadtoberhäupter tagen in Marktredwitz
Mit Gastgeberin Dr. Birgit Seelbinder haben in Marktredwitz 19 Oberbürgermeister und Bürgermeister aus Oberfranken getagt. Wichtigster Punkt waren die Liberalisierungspläne der EU, die auch die Kommunen betreffen. Die Marktredwitzer Oberbürgermeisterin nutzte das Treffen auch dazu, den Gästen die Große Kreisstadt vorzustellen. "Es ist mir immer ein Anliegen, Marktredwitz und die Region in einem guten Licht zu zeigen." Sie, Seelbinder, sehe in der Gremienarbeit, etwa im Städtetag, immer auch einen Nutzen für Marktredwitz.