Rüstung von Dendra Antike Rüstung aus Trojanischem Krieg glänzt im Praxistest

Markus Brauer
Elitesoldaten der griechischen Marine tragen Nachbildungen der bronzezeitlichen Dendra-Rüstung mit Schwert und Speer. Foto: © Andreas Flouris and Marija Marković/CC-by 4.0

Die rund 3500 Jahre alte Rüstung von Dendra ist die älteste komplett erhaltene Rüstung der Welt. Diente sie nur zeremoniellen Zwecken oder kämpften damit mykenische Krieger gegen Trojaner, wie Homer in seinem Epos „Illias“ schildert? In einem archäologischen Experiment haben griechische Elitesoldaten in Nachbildungen den Panzer auf seine Praxistauglichkeit erprobt - mit vollem Erfolg.

 
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Seit einigen Jahrzehnten hat sich in der Spatenforschung eine ganz besondere Arbeitsmethode etabliert: die experimentelle Archäologie. Wie wurden Häuser, Schlösser und Burgen gebaut? Wie wurden Schwerter, Speere und Rüstungen geschmiedet? Diesen und anderen Fragen gehen Archäologen nicht nur theoretisch, sondern auch mit Hilfe von Experimenten nach. Doch nicht nur Produktionsprozesse werden rekonstruiert, sondern auch die Praxistauglichkeit der hergestellten Güter – also die Verwendung etwa von Waffen in vergangenen Kriegen.

Mykenische Rüstung von Dendra im Kampfeinsatz

Die rund 3500 Jahre alte Rüstung aus Dendra wurde wohl von einem mykenischen Sperrträger auf einem Streitwagen getragen. Foto: Imago/Heritage Images

Experimentelle Archäologen haben jetzt einen solchen Kampf aus der Bronzezeit nachvollzogen – anhand der berühmten, rund 3500 Jahre alten Rüstung von Dendra. Dieser Bronze-Panzerung ist ein Meisterwerk mykenischer Handwerkskunst. Und Sie bewährte sich im Kampf, wie jetzt ein Forscherteam um Andreas Flouris von der Universität von Thessaloniki in Griechenland belegt haben. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Plos One“ erschienen.

Älteste vollständig erhaltene Bronze-Rüstung

In der späten Bronzezeit vor rund 3600 bis 3200 Jahren herrschten die Mykener dank eines ausgefeilten Kriegswesens über weite Teile Griechenlands und des Mittelmeerraums. In 1960er Jahren entdeckten Archäologen in der griechischen Stadt Dendra nahe Mykene bisher älteste komplett erhaltene Rüstung Europas.

Von 1600 bis 1200 v. Chr. beherrschten die Mykener weite Teile Griechenlands und des Mittelmeerraums (Darstellung der Burg von Mykene aus dem 19. Jahrhundert). Foto: Imago/UIG
Die Abbildungen auf dieser antiken Vase aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. zeigen mykenische Krieger in voller Rüstung. Foto: Imago/Heritage Images

Die aus Bronze gefertigte Rüstung, die wohl auf einem Streitwagen von einem Sperrwerfer benutzt wurde, besteht aus einem Brustpanzer, einem Rückenpanzer, sechs Panzerringen, mehrteiligen Schulterpanzern, einem Halsschutz und einem Helm aus Eberzähnen.

Rüstung für Kampfeinsatz bestens geeignet

Die Anführer der einzelnen mykenischen Kampfgruppen trugen bronzene Rüstung, in der sie Schlacht an vorderster Front fochten. Foto: © Andreas Flouris and Marija Marković /CC-by 4.0
Das berühmte, von Heinrich Schliemann im 19. Jahrhundert ausgegrabene Löwentor der Burg von Mykene in Griechenland. Foto: Imago/Pond5 Images

Bei dem Experiment trugen elf Elitesoldaten der griechischen Marine Nachbildungen der Dendra-Rüstung, während sie stundenlang die Kampftechniken aus der Zeit des Trojanischen Krieges übten. Dabei zeigte sich: Die Bronze-Panzerung war kein zeremonielles Objekt, sondern für den Kampfeinsatz bestens geeignet. Als Waffen trugen die modernen Kämpfer ein 85 Zentimeter langes Schwert mit Kupferklinge, einen zwei Meter langen Holzspeer sowie einen Bogen.

„Als Informationsquelle für die Kampftechniken nutzten wir die einzige detailliertere Schilderung eines Krieges, die es aus dieser Zeit gibt: Homers epischen Bericht über zehn Tage der Kämpfe während des Kriegs um Troja in der Ilias“, schreiben die Forscher.

Hit-and-Run-Taktik

Die Anführer der einzelnen Kampfgruppen trugen wohl eine bronzene Rüstung, in der sie Schlacht an vorderster Front fochten. Meist waren sie den gesamten Tag über im Einsatz, nur von kurzen Pausen zum Trinken und Essen unterbrochen.

„Die von Homer geschilderten Kämpfe waren meist durch eine Hit-and-Run-Taktik gekennzeichnet“, erklärt Flouris . „Für die Kämpfer bedeutete dies eine Anstrengung, die heute als Hochintensitäts-Intervalltraining bezeichnet wird.“

Elf Stunden im Kampfeinsatz

Im Experiment streiften streiften sich die Soldaten Nachbildungen der Dendra-Rüstung über und trainierten einige Tage lang die mykenischen Kampftechniken. Nach dieser Einlernphase begann das eigentliche Experiment. Die Test-Krieger wurden mit zahlreichen medizinischen Sensoren ausgestattet und zogen morgens in die „Schlacht“ um Troja – elf Stunden im Dauereinsatz.

In dem Hollywood-Film „Troja“ aus dem Jahr 2004 spielt Brat Pitt den griechischen Helden Achilles. Seine Rüstung entspringt aber mehr der Fantasie. Foto: Imago/Cinema Publishers Collection

„Während der verschiedenen Phasen des bronzezeitlichen Kampf-Protokolls führten die Teilnehmer die entsprechenden Kämpfe durch und wurden dabei ermutigt, sich maximal anzustrengen“, erläutern die Forscher den Ablauf. Anschließend werteten sie die Daten der Sensoren sowie der Blut- und Urinproben aus und befragten die Soldaten nach ihren Erfahrungen.

Das Fazit: Trotz der altertümlichen Panzerung konnten die modernen Elite-Krieger die Anstrengungen der fingierten Kämpfe gut bewerkstelligen. Die Komponenten der Rüstung boten ausreichend Bewegungsfreiheit, um Angriffen schnell auszuweichen und zurückzuschlagen.

„Die Kraft, die die Teilnehmer bei ihren Schlägen ausübten, war mit 3,5 Kilonewton beträchtlich“, schreibt Flouris. „Schläge ab 3,3 Kilonewton verursachen schwere Knochenbrüche.“ Die modernen Krieger blieben jedoch unverletzt.

Neue Erkenntnisse in mykenischer Waffentechnik

„Trotz ihres auf den ersten Blick klobigen, schwerfälligen Aussehens belegt dies, dass die Dendra-Rüstung nicht nur flexibel genug war, um fast jede Bewegung eines Fußsoldaten zu erlauben. Sie war auch widerstandsfähig genug, um ihren Träger vor den meisten Schlägen zu schützen“, resümieren die Archäologen.

Das Experiment belegt, dass die Dendra-Rüstung durchaus zur Standardsausrüstung von mykenischen Elitesoldaten gehört haben könnte. Andreas Floris: „Das erweitert auch unser Verständnis für das Kriegsgeschehen in der Bronzezeit und im alten Griechenland.“ Und es zeigt, dass die Mykener nicht umsonst über Jahrhunderte große Teile Griechenlands beherrschten.

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