Selb Meisterstück im Herzen der Stadt

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Die Renovierung des Komplexes am Martin-Luther-Platz 3/4 in Selb ist das "Lebenswerk" von Friedbert Zapp. Während vielerorts Gebäude vor dem Verfall stehen, ist dies ein Musterbeispiel für die Rettung alter Bausubstanz.

 
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Selb - Viele Häuser in der Region stehen kurz vor dem Verfall, weil sich die Besitzer nicht mehr darum kümmern. Zum Teil sind sie in Privatbesitz, und die Stadt versucht sie zu retten, ehe alles zusammenstürzt, wie derzeit im Zentrum Wunsiedels. Oder aber umgekehrt: Privatleute retten Gebäude, die in städtischem Besitz sind, weil, die Kommunen wegen ihrer hohen Verschuldung nicht in der Lage sind, leer stehende Anwesen in einen wohnlichen Zustand zu versetzen. Ein Musterbeispiel dafür ist der dominante Komplex auf dem Martin-Luther-Platz 3 und 4 in Selb. Da ist Friedbert Zapp ein Meisterstück gelungen - mit Hilfe seiner Tochter Andrea und Schwiegersohn Peter Pretsch.

Neu ist die Geschichte nicht, aber sie ist lang. Denn die Sanierung des heruntergekommenen Anwesens, das im Besitz der Stadt war und lange Zeit unbewohnt, zog sich über 15 Jahre hin. Vom Kauf im Jahr 1996 bis zum letzten Schliff 2011 steckt Zapp 25 000 Stunden Eigenleistung in Renovierung, Umbau und einen teils nervenaufreibenden Krieg mit den Denkmalschützern. "Immerhin ist es das älteste Gebäude Selbs", versichert der Besitzer. Denn bei dem großen Brand seien die Gewölbe stehen geblieben. "Und eine Untersuchung hat ergeben, dass der älteste Balken aus dem Jahr 1457 datiert. Damit ist unser Anwesen um die 150 Jahre älter als die Pechhütte", betont Zapp.

Ein Blick in die akribische Dokumentation des Bauherrn beweist, dass man hier nur mit einer fetten Portion Idealismus zu Werke gehen kann. Denn der erste Stock ist so gut wie verrottet, als Zapp das Gebäude kauft. "Der Hausschwamm war überall", deutet der 74-Jährige, der viele Jahre für Netzsch im Ausland tätig war, auf die Fotos vor der Sanierung. Als es 1996 um den Kauf des Gebäudes von der Stadt Selb geht, heißt es unter anderem in einem Schreiben des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege: "Bei der Hausbegehung regnete es in erheblichem Umfang herein. Dem Landesamt für Denkmalpflege ist unverständlich, dass eine öffentliche Institution, die zugleich die Funktion einer Unteren Denkmalschutzbehörde wahrzunehmen hat, eines der ältesten und wertvollsten Gebäude der Stadt wissentlich verfallen lässt."

Der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur Friedbert Zapp hingegen erkennt den Wert und lässt sich auf ein ungewisses Abenteuer ein, das ihn lange Zeit begleiten wird. Weil seine Tochter und der Schwiegersohn eine Goldschmiede in Selb eröffnen wollen, will er sie unterstützen. "Die Lage ist ideal", schwärmt Peter Pretsch. Und Schwiegervater Zapp fügt hinzu: "Es war Liebe auf den ersten Blick." Damit das junge Paar Geld verdienen kann, macht sich das Trio zunächst über den Raum, in dem 1997 die Goldschmiede eröffnet wird. Andrea Pretsch und ihr Mann leben auf der Baustelle - "anfangs nur in der Küche".

Bis überall Fußbodenheizung liegt, morsche Balken erneuert, Decken herausgenommen und Wände neu hochgezogen sind, vergehen Jahre. "Wir haben oft rund um die Uhr gearbeitet", erzählt Zapp im Gespräch mit der Frankenpost. "Wir haben um die 40 Kubikmeter herausgeholt und das Haus Nummer 3 um einen halben Meter tiefer gelegt." Da findet man heute einen schönen Blumenladen mit malerischem Gewölbe. "Allein um den herzurichten, haben wir eineinhalb Jahre gebraucht", so der Bauherr, der Maschinenschlosser und Modellschreiner gelernt hat.

Immer wieder stößt Zapp auf Überraschungen, so etwa auf einen unterirdischen Zugang zur Sankt-Andreas-Kirche. "Der wurde jedoch im Zuge des Straßenbaus dicht gemacht." 1923 habe am Martin-Luther-Platz 3 die letzte Gerberei aufgegeben. "In einem Nebenraum sind wir auf alte, eingelassene Gerber-Bottiche gestoßen, die mit Schlacke von den Porzellanfabriken aufgefüllt waren. Das haben wir alles rausgeholt." 140 Kubikmeter Schutt sortiert Zapp mit Tochter und Schwiegersohn aus und lässt ihn abfahren.

Neben der Familie Pretsch haben in dem dominanten Doppelhaus noch zwei weitere Parteien neben den beiden Läden eine Unterkunft gefunden. "In Nummer 3 haben wir etwa 350, in der 4 sind es 250 Quadratmeter", so Peter Pretsch, der auf den lichten Eingang deutet, der einst eher einem schwarzen Loch glich, fand sich doch hier einmal die Schwarzküche. "Wenn wir auf Schwierigkeiten gestoßen sind, haben wir halt anderswo weitergemacht, bis uns eine Lösung eingefallen ist", verdeutlicht Zapp. Im Prinzip, meint sein Schwiegersohn, sei so ein altes Gebäude mit einem Oldtimer zu vergleichen, den man in Einzelstücke zerlege, um ihn dann aufs Neue zusammenzubauen.

Als "größten Drahtseilakt" während des langjährigen Umbaus bezeichnet der Bauherr, der gerade in seinem eigenen Haus in der Hohenberger Straße das Dachgeschoss ausbaut, die Zusammenarbeit mit einem Denkmalschützer. "Weil ich ungefragt eine Balkendecke restauriert habe, musste ich für 1500 Euro eine neue Dokumentation durch einen Fachmann anfertigen lassen. Doch der kam auf das gleiche Ergebnis." Damals sei er kurz davor gewesen, die Flinte ins Korn zu werfen.

Heute ist Friedbert Zapp stolz auf sein "Lebenswerk". Und der Komplex auf dem Martin-Luther-Platz 3/4 zählt zweifelsohne zu den schönsten Bauwerken in Selb.

Wir haben hier 25 000 Stunden an Eigenleistung reingesteckt.

Friedbert Zapp


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