Wunsiedel Rechtsextreme im Fokus

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Die Wunsiedler werden am Samstag dem rechtsextremistischen Mob das Feld nicht überlassen. Foto: Archiv

Der Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus hält die Vertreter des Freien Netzes Süd für "manifeste Nationalsozialisten". Deshalb fordert er die Menschen auf, am Samstag Flagge zu zeigen.

 
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Wunsiedel - Hinsehen oder ignorieren? Mit diesem Dilemma sind alle Städte und Gemeinden konfrontiert, die in den Fokus von Neonazis geraten. Wunsiedel hat lange Jahre Erfahrung mit dem braunen Mob, der in der Festspielstadt immer wieder dem Hitlerstellvertreter Rudolf Heß huldigt.

Hinsehen. Die Wunsiedler haben sich für eine offensive Strategie entschieden. Dadurch ist es gelungen, dass in der Stadt keine rechtsextremen Strukturen entstanden sind. Wenn die Neonazis aufmarschieren, stellen sich ihnen regelmäßig Hunderte Menschen der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen entgegen. Alle Wunsiedler Schulen klären überdies im Unterricht über die Gefahren der Neonaziszene auf.

Auch am Samstag planen zahlreiche Organisationen eine Kundgebung gegen Rechtsextremismus unter dem Motto "Mutig für Menschenwürde". Während die bekennenden Demokraten einen ökumenischen Gottesdienst vor der Friedhofskirche feiern, werden einige Hundert Meter weiter Neonazis demonstrieren. Als Veranstalter firmiert das "Freie Netz Süd".

Wer hinter dem Netz steckt, ist nicht ersichtlich. "Es handelt sich um eine fast fluide Struktur. Im Grunde ist das Freie Netz Süd eine Internetplattform", sagt Martin Becher, der Leiter der Projektstelle gegen Rechtsextremismus in Bad Alexandersbad im Gespräch mit der Frankenpost. Klar sei jedoch, dass besagtem Netz 20 bis 25 einzelne Organisationen, sogenannte Kameradschaften angehören. Aktionsschwerpunkte der Rechtsextremen seien derzeit Oberfranken, die Oberpfalz und Mittelfranken.

In Bayern ist in den vergangenen Jahren die Zahl der dem Verfassungsschutz bekannten gewaltbereiten Rechtsextremen nicht weiter gestiegen. Derzeit sind es um die 1000. Dennoch ist die Neonazi-Szene eher bedrohlicher geworden. "Das Freie Netz Süd bedient sich derzeit eines eklektizistischen Stils, das heißt, es konfrontiert die Menschen nicht mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild, sondern greift Themen auf, die gerade Unmut in der Gesellschaft wecken", sagt Becher. Da werden Korruptionsfälle mit Zeitarbeit und Hartz IV oder der Forderung nach der Todesstrafe für Kindermörder verquickt. "Damit wollen sie in breite gesellschaftliche Kreise vorstoßen."

Im Gegensatz zu früheren Jahren ist das rechtsradikale Spektrum heute wesentlich breiter aufgestellt. Martin Becher: "Die Rechtsextremen gewinnen mittlerweile Menschen mit Uni-Abschluss, die haben ihre eigenen Anwälte. Nicht zu unterschätzen sind auch Mitglieder, die seit Jahrzehnten in der Szene sind und Familie und Beruf haben. Hier verfestigen sich Strukturen."

Obwohl sich das Freie Netz Süd offiziell nicht in Beziehung zu den Terrorakten des NSU bringen lassen will, spielt es doch in Form von Provokationen klammheimlich damit. So hätte eine Kameradschaft bei einer Kundgebung in München Anfang des Jahres das Paulchen-Panther-Lied gespielt, in Anspielung auf die Filmchen, mit denen die NSU-Mörder ihre Opfer verhöhnten.

"Man muss wissen, dass wir es beim harten Kern des Netzwerkes mit manifesten Nationalsozialisten zu tun haben. Daher müssen wir uns diesen in den Weg stellen und ihnen nicht die Bühne überlassen. Die sind eine Bedrohung für den Staat, für das gesellschaftliche Miteinander und für jeden Einzelnen", sagt Becher. Die Position, rechtsextreme Kundgebungen zu ignorieren, habe sich in Bayern nicht durchgesetzt. "Wunsiedels Bürgermeister Karl-Willi Beck und viele Mitstreiter haben dies vor Jahren erkannt. Hinschauen, Flagge zeigen, das ist die beste Strategie."

Die sind eine Bedrohung für den Staat, das gesellschaftliche Miteinander und für jeden Einzelnen.

Martin Becher


Wunsiedel ist bunt plant für Samstag viele Aktionen

Die Bürgerinitiative Wunsiedel ist bunt veranstaltet am Samstag eine Kundgebung "gegen das erneute Auftreten der Nazis", wie es in einer Mitteilung der BI heißt. Diese steht unter dem Motto "Mutig für Menschenwürde - wir gedenken der Opfer und nicht der Täter".

Beginn ist um 13 Uhr vor der Friedhofskirche mit einem ökumenischen Gottesdienst, den die Wunsiedler Pfarrerinnen und Pfarrer gestalten. Mit dabei ist "Fichtelgebirgs-Klezmorim".

Um 13.50 Uhr startet der Gedenkzug auf der östlichen Todesmarschroute.

Am Hackerplatz ist um 14 Uhr eine Zwischenkundgebung geplant.

Die Hauptkundgebung beginnt um 14.30 Uhr in der Breiten Straße mit Begrüßungsreden und einem offenen Mikrofon.

Ebenfalls um 14.30 Uhr gibt es am Gymnasium einen Infostand mit Button-Aktion.

Der DGB veranstaltet von 14 bis 16.30 Uhr eine Kundgebung in der Bahnhofsstraße unter dem Motto "Europa der Arbeitnehmer ohne Rechtsextremismus".

Um 16 Uhr beginnt der Gedenkzug auf der westlichen Todesmarschroute von der Breiten Straße über den Marktplatz und zurück.

Das Programm kann sich ändern, falls Gerichtsentscheidungen die Veranstaltungsorte kurzfristig verlegen. Die BI wird gegebenenfalls darüber informieren.


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