Welche antisemitischen Klischees sind am gefährlichsten?
Ich finde, man sollte sich frei machen von jeglichen Stereoptypen, Vorurteilen und Klischees. Es fängt mit Gedanken an, die werden zu Worten und dann zu Taten. In einem Vorurteil steckt immer auch eine Bewertung mit drin, die meistens eher negativ ist und gekoppelt ist mit einem Gefühl, so dass man es wirklich glaubt. Zum Beispiel „Muslime sind kriminell“ oder „Juden sind geldgierig“. Wir haben alle Vorurteile, aber das muss man sich immer wieder bewusst machen.
Wie sind Ihre Lehrer damit umgegangen, dass Sie als Schüler auf dem Schulhof antisemitisch beschimpft worden sind?
Das war auch so ein gestörtes Verhältnis. Die Lehrer hatten überhaupt nicht thematisiert, warum und wieso diese Beschimpfungen passiert sind, nur dass sie vielleicht aufhören sollen. Es gab nie eine richtige Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus. Meinen Eltern habe ich davon bewusst nichts erzählt. Gerade meinen Vater, der sieben Jahre in einem Konzentrationslager war, wollte ich damit nicht belasten. Und meiner Mutter habe ich nichts gesagt, weil ich wusste, dass sie dann die Schule anzündet. Das wollte ich auch nicht. Wobei das im Nachhinein wahrscheinlich die beste Lösung gewesen wäre. Dann hätte meine Mutter sich eingereiht in die Bundeswehr im Emsland, die ja auch gerade viel Schutt und Asche im Moor hinterlassen hat.
Wie geht Ihre Tante in Amerika mit dem neuen Antisemitismus um?
Meine Tante, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis habe, war auch in Gefangenschaft und ist anschließend nach New York ausgewandert. Wir telefonieren alle paar Tage miteinander. Ich habe ihr ein paar Sachen erzählt, aber sie konnte es nicht glauben. Vor ein paar Jahren gab es in Bielefeld eine notorische Holocaustleugnerin, die behauptete, im KZ Stutthof sei nichts Schlimmes passiert. Das hat meine Tante sehr gekränkt, weil sie da war und wirklich alles miterlebt hat.
Hatte Ihre Tante in den letzten 60 Jahren in New York judenfeindliche Begegnungen?
Nie. Als sie das sagte, war ich auch überrascht.
Sie schreiben, Deutschrapper verdienten mit antisemitischen Klischees viel Geld. Hat sich daran etwas geändert, seit der Echo abgeschafft wurde?
Nein. Ich glaube schon, dass die Musikbranche ein bisschen hellhöriger geworden ist. Aber alles in allem ist nichts passiert. Ich erwarte, dass die Bundesregierung und der Antisemitismusbeaufragte jetzt endlich handeln. Heiko Maas, Volker Beck umd Cem Özdemir sind die einzigen Politiker, die sich sehr schnell und sehr deutlich zu Antisemitismus äußern. Aber auf Worte müssen Taten folgen. Da ist leider ein Loch.
Werden die jüdischen Nachfahren ihrer Aufgabe gerecht, die nächste Generation wachzuhalten?
Es ist absurd, dass man selber dafür verantwortlich ist. Eigentlich wünsche ich mir, dass es andere machen. Zumindest die jüdischen Menschen, die ich kenne, wachsen mit einem bestimmten Bewusstsein der deutschen Geschichte auf. Mit meinem Buch versuche ich Leuten, die von Antisemiten gejagt werden, eine Stimme zu geben.
Verändern die fremdenfeindlichen Proteste in Städten wie Chemnitz und Köthen etwas an Ihrem Deutschlandbild?
Wenn ich höre, dass zum Beispiel im thüringischen Themar Rechtsrockkonzerte stattfinden und die Neonazis sich organisieren, denke ich mir: Nee, ich habe einfach keinen Bock mehr! Das kann es nicht sein! Die Polizei bewacht zwar das Ganze, aber es werden trotzdem tausende von Hitlergrüßen gemacht. Was muss denn noch passieren? Ich würde sagen: gescheitert! Komplett fehlgeleitet!
Ist Antisemitismus eine Frage von Bildung?
Nein, auf Antisemitismus trifft man überall. Dazu möchte ich die Erste Allgemeine Verunsicherung zitieren: „Das Böse ist immer und überall“.
Bald gehen Sie wieder auf Comedytour unter dem Motto „Endgegner“. Wer ist das eigentlich?
Wir Menschen sind unser eigener Endgegner und unser größter Feind. Am Ende sind wir selber die Terroristen, nämlich Lifestyle-Terroristen. Wir bauen unseren Wohlstand auf der Ausbeutung anderer aus.
Oliver Polak auf Tour
Der Komiker geht auf „Der Endgegner“-Tour und gastiert am 26. März um 20 Uhr im E-Werk in Erlangen. Karten gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.