Wetterphänomen Blue Jets Das verbirgt sich sich hinter den rätselhaften Blauen Blitzen

Markus Brauer

Der Pilot eins Passagierflugzeuges hat über dem Indischen Ozean ein faszinierendes Video von Blauen Blitzen gemacht, die bei Gewittern auf der Erde nach oben aus den Wolken schießen. Das Naturschauspiel – Blue Jet oder Sprites genannt – lässt sich nur sehr selten aus hoch fliegenden Flugzeugen oder von der ISS im Weltraum beobachten.

 
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Dieser blaue Strahl ist ein Blue Jet, eine seltene Form der elektrischen Entladung, die von der Wolkenobergrenze nach oben ausstrahlt. Foto: © Esa

Der Pilot eines Passagierjets hat bei einem Flug über den Indischen Ozean ein außergewöhnliches Wetterphänomen gefilmt: Ein bläulich leuchtender Blitz bricht – für nur wenige Sekunden sichtbar – plötzlich nach oben aus dem dichten Wolkenmeer hevor.

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2021 hatten Astronauten von der Internationalen Raumstation ISS aus ähnliche Bilder von Blauen Blitzen (englisch: Blue Sprites oder Blue Jets) gemacht, die bei Gewittern auf der Erde aus den Wolken mporschießen. Das fantastische Naturschauspiel lässt sich nur sehr selten beobachten – so auch im Jahr 20215, ebenfalls von der ISS aus.

Was sind Koboldblitze?

Die Gafik zeigt Höhe und Form von Blue Jets und anderen atmosphärischen Entladungen in der Atmosphäre. Foto: © NOAA

Blitze erreichen Spannungen von bis zu 1,3 Milliarden Volt, können hunderte Kilometer überspannen und sogar Antimaterie erzeugen. Doch neben diesen normalen Gewitter-Blitzen zwischen Boden und Gewitterwolke oder innerhalb der Wolkendecke gibt es auch Entladungen, die sich in größerer Höhe über den Gewitterwolken ereignen. Meist ähneln solche sogenannten Sprites (englisch: Kobolde) einer schmalen Stichflamme, manchmal erinnern sie auch an einen Atompilz.

Es handelt sich um Koboldblitz, die sich bei Gewittern oberhalb der Wolken entladen und scheinbar so flüchtig sind wie die namensgebenden Geistererscheinungen. Neben Blue Jets oder Blue Sprites – auch Angel Sprites (Engel-Blitze) genannt – gibt es noch zwei weitere Erscheinungsformen: Red Sprites (Rote Kobolde) und Elves (Elfen).

Wie entladen sich Sprites?

„Blue Jets sind blitzähnliche, elektrische Entladungen in der Atmosphäre, die wenige hundert Millisekunden anhalten und sich von der Oberseite der Gewitterwolken in die Stratosphäre ausbreiten“, erklärt Torsten Neubert von der Technischen Universität Dänemarks.

Dabei können die Blauen Strahlen sich zu kegelartigen Fächern aufweiten. Allerdings sind diese Blue Jets nicht nur kurzlebig und extrem rar, sie sind auch nur vom All oder aus großen Höhen von Flugzeugen aus sichtbar.

„Man vermutet, dass sie ihren Ursprung in einem elektrischen Kurzschluss zwischen den positiv geladenen oberen Regionen einer Wolke und einer Schicht von negativen Ladungen an der Wolkengrenze und der Luft darüber haben“, sagt Neubert. Dabei entstehe eine Vorentladung – der sogenannte Leader –, von dem dann die blauen Streamer ausgehen.

Wie lange dauert die Entladung von Koboldblitzen?

Mithilfe des Asim-Observatoriums ( Atmosphere-Space Interactions Monitor), einem Ensemble von Spezialkameras, Photometern und Gamma- und Röntgenstrahlendetektoren, das an der Internationalen Raumstation ISS angebracht ist, hatten Torsten Neubert und sein Team im Februar 2019 insgesamt fünf helle, jeweils rund zehn Mikrosekunden dauernde Blue Jets über der Pazifikinsel Nauru eingefangen.

Das Asim-Observatorium beobachtet aus rund 400 Kilometer Höhe die irdischen Wolken und kann so die von der Erdoberfläche unsichtbaren elektrischen Entladungen messen. Ihre Studie war 2021 im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht worden.

Was ist das Besondere an Elfen-Blitzen?

Die Beobachtungen zeigten, dass die Strahlung von Blue Jets innerhalb von wenigen Mikrosekunden um das Hundertfache an Intensität im blauen Bereich des Lichtspektrums zunimmt und dann wieder sehr schnell abflaut.

Eine dieser Entladungen war so stark, dass sie einen pulsierenden Blauen Blitz in 56 Kilometern Höhe auslöste. Zudem sahen die Forscher Elves Jets (Elfen-Blitze): Dabei handelt es sich um ringförmige Entladungen, die von manchen hohen Entladungen ausgehen.

Seit wann sind Blaue Blitze bekannt?

Im Jahr 1925 hatte der spätere Physiknobelpreisträger Charles Thomson Rees Wilson diese Wetterphänomene vorausgesagt. Doch noch immer sind Film- und Fotoaufnahmen von Sprites etwas ganz Besonderes.

In den 1960er Jahren hatten US-Kampfpiloten beim Einsatz im Vietnamkrieg diese Phänomene beobachtet. Doch erst seit 1989 existieren Fotobeweise dieser meteorologischen Erscheinung. Von der ISS aus werden immer wieder einmal Aufnahmen von Sprites gemacht, 2003 auch aus dem US-Space-Shuttle Columbia.

Was hat ein ESA-Astronaut 2015 beobachtet?

Blue Jets im Jahr 2015 von der ISS aus gesehen. Foto: Esa/Nasa/dpa

Im Jahr 2015 hatte der Däne Andreas Mogensen von der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) bei seiner ISS-Mission mit einer speziellen Kamera Bilder von Blue Jets machen können.

Auch eine Filmsequenz gibt es: Ein 160 Sekunden langes Video von Mogensen zeigt 245 leuchtende Blitze, die aus der Spitze eines Wolkenturms schießen. „Es passiert nicht jeden Tag, dass man ein neues Wetterphänomen auf Film einfangen kann. Deshalb bin ich sehr froh über das Ergebnis, aber vor allem, weil Forscher diese faszinierenden Gewitter bald genauer untersuchen können“, sagte Morgensen damals. 2017 berichtete er im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ über seine Beobachtungen.

Wie entstehen Blaue Blitze?

Längst nicht jeder Blitz löst einen Blue Jet aus. Und doch haben beide Formen der atmosphärischen Funkenentladung etwas miteinander zu tun. Denn bestimmte Blitze, die von Gewitterwolken zum Erdboden reichen, bringen offenbar auch Elektronen oberhalb der Wolken in Bewegung. Das Ergebnis ist eine Art natürlicher Teilchenbeschleuniger.

Wenn die Elektronen in den hohen Schichten der Atmosphäre mit den Molekülen kollidieren, entsteht das schwache Glimmen, das sich von weit oben, wo die Astronauten in der ISS um die Erde kreisen, fotografieren lässt. Das überirdische Leuchten fällt ausgesprochen schwach aus. Doch manchmal hat man Glück – so wie Astronaut Andreas Mogensen.