Marktredwitz Fasten bis Sonnenuntergang

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Bei großer Hitze über 17 Stunden ohne Trinken und Essen auszukommen, ist schwer. Ihr Glauben gibt Berrak Bülbül wie anderen Muslimen die Kraft, Ramadan trotzdem als eine Zeit zu erleben, die aufbaut.

 
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Marktredwitz - Sie schneidet, färbt und föhnt Haare, unterhält ihre Kundinnen und serviert Getränke. Wie immer. Wer um 17 Uhr zu "Creativ Hair" kommt, ahnt nicht, dass die Friseurmeisterin Berrak Bülbül - ebenso wie ihre Schwester Bedriye Harmankaya - seit 3.45 Uhr nichts mehr gegessen und getrunken hat und sich erst nach 21.30 Uhr an den Tisch setzen wird. "Es macht mir nichts aus", sagt die 41 Jahre alte Muslimin aus Marktredwitz, die im Monat Ramadan fastet, seit sie elf Jahre alt ist. Ihr Glaube gibt ihr die Kraft, durchzuhalten. "Ich weiß: Allah liebt mich, wenn ich es schaffe", sagt Berrak Bülbül. Sie erlebt den Fastenmonat als eine besondere Zeit, in der sie sich weggerissen fühlt vom Alltag. "Es baut mich mental auf, ich bin toleranter", sagt die Muslimin, deren Tag um 3 Uhr morgens mit einem Gebet beginnt. Dann frühstückt sie, bevor die Sonne aufgeht. Wichtig sei, nicht zu viel und nicht zu salzig zu essen, um den Durst in Grenzen zu halten. Sobald sie tagsüber 20 Minuten Luft hat, geht sie in ihre Wohnung über dem Friseurgeschäft und nimmt sich Zeit für das Bet-Ritual samt Waschung. "Fasten ohne beten ist nur eine halbe Geschichte", erklärt Berrak Bülbül. Besonders genießt sie die "wunderschönen" gemeinsamen Abend-Gebete in der Marktredwitzer Moschee: Gläubige treffen sich zwischen 22.40 und 23.30 Uhr, um zu hören, wie der Hodscha den Koran liest. Da man beim Gebet immer wieder aufstehe und sich niederknie, biete das Ganze neben religiösen Inhalte etwas Bewegung nach dem späten Essen. Wie üblich, erlebt auch Berrak Bülbül das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang in einer Gemeinschaft bei ihren Eltern. Gestern gab es zur Eröffnung eine Dattel, danach Nudelsuppe, Fisch aus dem Ofen und Weinblätter.

Sinn des Fastenmonats sei, Menschen barmherziger gegen Arme zu machen. Das funktioniere umso besser, wenn man Hunger und Durst am eigenen Leib spüre. Ihre Verpflichtung, im Fastenmonat mindestens zehn Euro pro Tag und Familienmitglied zu spenden, nimmt Berrak Bülbül sehr ernst: "Unser Glaube sagt: Wer von Herzen gibt, schützt seine Familie."

Ich weiß: Allah liebt mich, wenn ich es schaffe. Ramadan reißt mich weg vom Alltag, ich bin toleranter.

Die Marktredwitzer Muslimin

Berrak Bülbül


Rund 100 Mitglieder der islamischen Gemeinde beherzigen die Regeln

175 Muslime aus der Region zwischen Röslau und Erbendorf gehören zur islamischen Gemeinde Marktredwitz. Etwa 60 Prozent halten sich an die Regeln des Fastenmonats Ramadan, sagt Vorsitzender Celal Öztürk. Fasten dürfen nur gesunde Menschen - Kranke, Kinder oder Schwangere nicht. Auch Öztürk selbst verzichtet bis 7. August von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Speisen, Getränke und Zigaretten.

Elf Tage Verschiebung

Der Ramadan ist der Monat, in dem nach muslimischem Glauben Allah dem Propheten Mohammed die ersten Verse des Koran offenbart hat.

Wegen des Mondzyklus verschiebt sich der Fastenmonat, der neunte Monat des Mondkalenders, jedes Jahr um elf Tage nach vorne. Öztürk: "In 36 Jahren hat ein gläubiger Mensch zu allen Jahreszeiten gefastet." Lange sei die Spanne in den Sommermonaten: "Wer 17 bis 18 Stunden lang Hunger hat, versteht, wie schlimm es ist, nicht genug zu essen zu haben." So steige die Bereitschaft, für Arme zu spenden und Gutes zu tun - wichtige Aufgaben im Ramadan.

Wer beim Fasten seine Bedürfnisse bezwinge, dem würden seine Sünden vergeben. "Gott will testen, ob wir uns und unseren Körper unter Kontrolle haben." Es sei eine Kopf-Sache, ob man durchhalte oder nicht: "Ich schaffe das seit 28 Jahren", sagt der 40-Jährige.

Sinn des Fastens sei nicht das Abnehmen, betont Öztürk. Etliche Gläubige nähmen sogar zu, da man nach Sonnenuntergang bei gemeinsamen Essen mit Verwandten oder Freunden das Fasten breche. Öztürk plant, dass sich alle Gläubigen ab dem kommenden Jahr in Marktredwitz jeden Abend zum gemeinsamen Fastenbrechen im islamischen Kulturzentrum treffen können. In größeren Städten sei das längst üblich.

Drei Tage dauere das große Fest an Ende des Fastenmonats. Es beginne in diesem Jahr am 8. August und sei in seiner Bedeutung mit Weihnachten vergleichbar, erklärt Öztürk. Neben religiösen Riten stehen soziale Aspekte im Mittelpunkt: Eine Spende für Bedürftige ist Pflicht, außerdem Besuche bei Verwandten, Bekannten, Alten, Kranken und auf dem Friedhof.


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